Kant: AA VIII, Recension von Schulz's ... , Seite 013

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 mehrere Geistliche dieses Landes, obgleich weit unter ihm an Talenten, ihm      
  02 ohne Zurückhaltung nachsprechen; ja was nur neuerlich Herr Prof. Ehlers      
  03 von der Freiheit des Willens für einen Begriff gab, nämlich als einem      
  04 Vermögen des denkenden Wesens, seiner jedesmaligen Ideenlage      
  05 gemäß zu handeln.      
           
  06 Gleichwohl wird jeder unbefangene und vornehmlich in dieser Art von      
  07 Speculation genugsam geübte Leser nicht unbemerkt lassen: daß der allgemeine      
  08 Fatalism, der in diesem Werke das vornehmste, alle Moral      
  09 afficirende, gewaltsame Princip ist, da er alles menschliche Thun und Lassen      
  10 in bloßes Marionettenspiel verwandelt, den Begriff von Verbindlichkeit      
  11 gänzlich aufhebe, daß dagegen das Sollen oder der Imperativ, der      
  12 das praktische Gesetz vom Naturgesetz unterscheidet, uns auch in der Idee      
  13 gänzlich außerhalb der Naturkette setze, indem er, ohne unseren Willen als      
  14 frei zu denken, unmöglich und ungereimt ist, vielmehr uns alsdann nichts      
  15 übrig bleibt, als abzuwarten und zu beobachten, was Gott vermittelst der      
  16 Naturursachen in uns für Entschließungen wirken werde, nicht aber was      
  17 wir von selbst als Urheber thun können und sollen; woraus denn die      
  18 gröbste Schwärmerei entspringen muß, die allen Einfluß der gesunden      
  19 Vernunft aufhebt, deren Rechte gleichwohl der Herr Verf. aufrecht zu      
  20 erhalten bemüht gewesen. - Der praktische Begriff der Freiheit hat in      
  21 der That mit dem speculativen, der den Metaphysikern gänzlich überlassen      
  22 bleibt, gar nichts zu thun. Denn woher mir ursprünglich der Zustand, in      
  23 welchem ich jetzt handeln soll, gekommen sei, kann mir ganz gleichgültig sein;      
  24 ich frage nur, was ich nun zu thun habe, und da ist die Freiheit eine nothwendige      
  25 praktische Voraussetzung und eine Idee, unter der ich allein      
  26 Gebote der Vernunft als gültig ansehen kann. Selbst der hartnäckigste      
  27 Sceptiker gesteht, daß, wenn es zum Handeln kommt, alle sophistische Bedenklichkeiten      
  28 wegen eines allgemein=täuschenden Scheins wegfallen müssen.      
  29 Eben so muß der entschlossenste Fatalist, der es ist, so lange er sich der bloßen      
  30 Speculation ergiebt, dennoch, so bald es ihm um Weisheit und Pflicht zu      
  31 thun ist, jederzeit so handeln, als ob er frei wäre, und diese Idee bringt      
  32 auch wirklich die damit einstimmige That hervor und kann sie auch allein      
  33 hervorbringen. Es ist schwer, den Menschen ganz abzulegen. Der Herr      
  34 Verf., nachdem er jedes Menschen Handlung, so abgeschmackt sie auch      
  35 andern erscheinen mag, aus dem Grunde seiner besonderen Stimmung      
  36 gerechtfertigt hatte, sagt S. 137: "Ich will alles, schlechterdings und ohne      
  37 Ausnahme alles, was mich zeitlich und ewig glücklich machen kann, verloren      
           
     

[ Seite 012 ] [ Seite 014 ] [ Inhaltsverzeichnis ]