Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 481

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 er im süßen Nichtsthun sein Leben dahin bringe, oder dem Trunkenbolde      
  02 es an Wein, und was sonst zur Berauschung gehört, nicht ermangeln      
  03 lassen, dem Betrüger eine einnehmende Gestalt und Manieren      
  04 geben, um andere zu überlisten, oder dem Gewaltthätigen Kühnheit      
  05 und starke Faust, um Andere überwältigen zu können? Das      
  06 sind ja so viel Mittel, die ein jeder sich wünscht, um nach seiner Art      
  07 glücklich zu sein. S. Nein, das nicht.      
           
  08 5. L. Du siehst also: daß, wenn du auch alle Glückseligkeit in deiner      
  09 Hand und dazu den besten Willen hättest, du jene doch nicht ohne      
  10 Bedenken jedem, der zugreift, preis geben, sondern erst untersuchen      
  11 würdest, wie fern ein jeder der Glückseligkeit würdig wäre. - L.      
  12 Für dich selbst aber würdest du doch wohl kein Bedenken haben, dich      
  13 mit Allem, was du zu deiner Glückseligkeit rechnest, zuerst zu versorgen?      
  14 S. Ja. L. Aber kommt dir da nicht auch die Frage in Gedanken,      
  15 ob du wohl selbst auch der Glückseligkeit würdig sein mögest?      
  16 S. Allerdings. L. Das nun in dir, was nur nach Glückseligkeit      
  17 strebt, ist die Neigung; dasjenige aber, was deine Neigung auf die      
  18 Bedingung einschränkt, dieser Glückseligkeit zuvor würdig zu sein, ist      
  19 deine Vernunft, und daß du durch deine Vernunft deine Neigung      
  20 einschränken und überwältigen kannst, das ist die Freiheit deines      
  21 Willens.      
           
  22 6. L. Um nun zu wissen, wie du es anfängst, um der Glückseligkeit      
  23 theilhaftig und doch auch nicht unwürdig zu werden, dazu liegt die      
  24 Regel und Anweisung ganz allein in deiner Vernunft; das heißt      
  25 so viel als: du hast nicht nöthig diese Regel deines Verhaltens von      
  26 der Erfahrung, oder von Anderen durch ihre Unterweisung abzulernen;      
  27 deine eigene Vernunft lehrt und gebietet dir geradezu, was du zu      
  28 thun hast. Z. B. wenn dir ein Fall vorkommt, da du durch eine fein      
  29 ausgedachte Lüge dir oder deinen Freunden einen großen Vortheil      
  30 verschaffen kannst, ja noch dazu dadurch auch keinem anderen schadest,      
  31 was sagt dazu deine Vernunft? S. Ich soll nicht lügen; der Vortheil      
  32 für mich und meinen Freund mag so groß sein, wie er immer      
  33 wolle. Lügen ist niederträchtig und macht den Menschen unwürdig      
  34 glücklich zu sein. - Hier ist eine unbedingte Nöthigung      
  35 durch ein Vernunftgebot (oder Verbot), dem ich gehorchen muß: wogegen      
  36 alle meine Neigungen verstummen müssen. L. Wie nennt      
  37 man diese unmittelbar durch die Vernunft dem Menschen auferlegte      
           
     

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