Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 134 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | der hierdurch einer in diesem Falle heiligen Freiheit geschieht, ungerechnet, | ||||||
| 02 | dem Staate schwerlich gute Bürger verschaffen kann. Wer von denen, | ||||||
| 03 | die sich zur Verhinderung einer solchen freien Entwickelung göttlicher Anlagen | ||||||
| 04 | zum Weltbesten anbieten, oder sie gar vorschlagen, würde, wenn er | ||||||
| 05 | mit Zuratheziehung des Gewissens darüber nachdenkt, sich wohl für alle | ||||||
| 06 | das Böse verbürgen wollen, was aus solchen gewaltthätigen Eingriffen | ||||||
| 07 | entspringen kann, wodurch der von der Weltregierung beabsichtigte Fortgang | ||||||
| 08 | im Guten vielleicht auf lange Zeit gehemmt, ja wohl in einen Rückgang | ||||||
| 09 | gebracht werden dürfte, wenn er gleich durch keine menschliche Macht | ||||||
| 10 | und Anstalt jemals gänzlich aufgehoben werden kann. | ||||||
| 11 | Das Himmelreich wird zuletzt auch, was die Leitung der Vorsehung | ||||||
| 12 | betrifft, in dieser Geschichte nicht allein als in einer zwar zu gewissen | ||||||
| 13 | Zeiten verweilten, aber nie ganz unterbrochenen Annäherung, sondern | ||||||
| 14 | auch in seinem Eintritte vorgestellt. Man kann es nun als eine bloß zur | ||||||
| 15 | größern Belebung der Hoffnung und des Muths und Nachstrebung zu | ||||||
| 16 | demselben abgezweckte symbolische Vorstellung auslegen, wenn dieser Geschichtserzählung | ||||||
| 17 | noch eine Weissagung (gleich als in sibyllinischen Büchern) | ||||||
| 18 | von der Vollendung dieser großen Weltveränderung in dem Gemälde eines | ||||||
| 19 | sichtbaren Reichs Gottes auf Erden (unter der Regierung seines wieder | ||||||
| 20 | herabgekommenen Stellvertreters und Statthalters) und der Glückseligkeit, | ||||||
| 21 | die unter ihm nach Absonderung und Ausstoßung der Rebellen, die ihren | ||||||
| 22 | Widerstand noch einmal versuchen, hier auf Erden genossen werden soll, | ||||||
| 23 | sammt der gänzlichen Vertilgung derselben und ihres Anführers (in der | ||||||
| 24 | Apokalypse) beigefügt wird, und so das Ende der Welt den Beschluß | ||||||
| 25 | der Geschichte macht. Der Lehrer des Evangeliums hatte seinen Jüngern | ||||||
| 26 | das Reich Gottes auf Erden nur von der herrlichen, seelenerhebenden, | ||||||
| 27 | moralischen Seite, nämlich der Würdigkeit, Bürger eines göttlichen Staats | ||||||
| 28 | zu sein, gezeigt und sie dahin angewiesen, was sie zu thun hätten, nicht | ||||||
| 29 | allein um selbst dazu zu gelangen, sondern sich mit andern Gleichgesinnten | ||||||
| 30 | und wo möglich mit dem ganzen menschlichen Geschlecht dahin zu vereinigen. | ||||||
| 31 | Was aber die Glückseligkeit betrifft, die den andern Theil der | ||||||
| 32 | unvermeidlichen menschlichen Wünsche ausmacht, so sagte er ihnen voraus: | ||||||
| 33 | daß sie auf diese sich in ihrem Erdenleben keine Rechnung machen | ||||||
| [ Seite 133 ] [ Seite 135 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||