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Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 069 |
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sich keine Hoffnung machen kann, daß, wenn er noch länger hier zu leben |
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hätte, oder ihm auch ein künftiges Leben bevorstände, er es besser machen |
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werde, weil er bei solchen Anzeigen das Verderben als in seiner Gesinnung |
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gewurzelt ansehen müßte. Nun ist das erstere ein Blick in eine unabsehliche, |
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aber gewünschte und glückliche Zukunft, das zweite dagegen in ein |
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eben so unabsehliches Elend, d. i. beides für Menschen nach dem, was sie |
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urtheilen können, in eine selige oder unselige Ewigkeit: Vorstellungen, die |
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mächtig genug sind, um dem einen Theil zur Beruhigung und Befestigung |
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im Guten, dem andern zur Aufweckung des richtigen Gewissens, um |
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dem Bösen so viel möglich noch Abbruch zu thun, mithin zu Triebfedern |
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zu dienen, ohne daß es nöthig ist, auch objectiv eine Ewigkeit des Guten |
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oder Bösen für das Schicksal des Menschen dogmatisch als Lehrsatz vorauszusetzen*), |
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mit welchen vermeinten Kenntnissen und Behauptungen die |
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*) Es gehört unter die Fragen, aus denen der Frager, wenn sie ihm auch beantwortet werden könnten, doch nichts Kluges zu machen verstehen würde (und die man deshalb Kinderfragen nennen könnte), auch die: ob die Höllenstrafen endliche, oder ewige Strafen sein werden. Würde das erste gelehrt, so ist zu besorgen, daß manche (so wie alle, die das Fegfeuer glauben, oder jener Matrose in Moore's Reisen) sagen würden: "So hoffe ich, ich werde es aushalten können." Würde aber das andre behauptet und zum Glaubenssymbol gezählt, so dürfte gegen die Absicht, die man damit hat, die Hoffnung einer völligen Straflosigkeit nach dem ruchlosesten Leben herauskommen. Denn da in den Augenblicken der späten Reue am Ende desselben der um Rath und Trost befragte Geistliche es doch grausam und unmenschlich finden muß, ihm seine ewige Verwerfung anzukündigen, und er zwischen dieser und der völligen Lossprechung kein Mittleres statuirt (sondern entweder ewig, oder gar nicht gestraft), so muß er ihm Hoffnung zum letzteren machen, d. i. ihn in der Geschwindigkeit zu einem Gott wohlgefälligen Menschen umzuschaffen versprechen; da dann, weil zum Einschlagen in einen guten Lebenswandel nicht mehr Zeit ist, reuevolle Bekenntnisse, Glaubensformeln, auch wohl Angelobungen eines neuen Lebens bei einem etwa noch längern Aufschub des Endes des gegenwärtigen die Stelle der Mittel vertreten. - Das ist die unvermeidliche Folge, wenn die Ewigkeit des dem hier geführten Lebenswandel gemäßen künftigen Schicksals als Dogma vorgetragen und nicht vielmehr der Mensch angewiesen wird, aus seinem bisherigen sittlichen Zustande sich einen Begriff vom künftigen zu machen und darauf als die natürlich vorherzusehende Folgen desselben selbst zu schließen; denn da wird die Unabsehlichkeit der Reihe derselben unter der Herrschaft des Bösen für ihn dieselbe moralische Wirkung haben (ihn anzutreiben, das Geschehene, so viel ihm möglich ist, durch Reparation oder Ersatz seinen Wirkungen nach noch vor dem Ende des Lebens ungeschehen zu machen), als von der angekündigten Ewigkeit desselben erwartet werden kann: ohne doch die Nachtheile des Dogma der letztern (wozu ohnedem weder Vernunfteinsicht, noch Schriftauslegung berechtigt) bei [Seitenumbruch] sich zu führen: da der böse Mensch im Leben schon zum voraus auf diesen leicht zu erlangenden Pardon rechnet, oder am Ende desselben es nur mit den Ansprüchen der himmlischen Gerechtigkeit auf ihn zu thun haben glaubt, die er mit bloßen Worten befriedigt, indessen daß die Rechte der Menschen hierbei leer ausgehen, und niemand das Seine wieder bekommt (ein so gewöhnlicher Ausgang dieser Art der Expiation, daß ein Beispiel vom Gegentheil beinahe unerhört ist). - Besorgt man aber, daß ihn seine Vernunft durchs Gewissen zu gelinde beurtheilen werde, so irrt man sich, wie ich glaube, sehr. Denn eben darum, weil sie frei ist und selbst über ihn, den Menschen, sprechen soll, ist sie unbestechlich, und wenn man ihm in einem solchen Zustande nur sagt, daß es wenigstens möglich sei, er werde bald vor einem Richter stehen müssen, so darf man ihn nur seinem eigenen Nachdenken überlassen, welches ihn aller Wahrscheinlichkeit nach mit der größten Strenge richten wird. - Ich will diesem noch ein paar Bemerkungen beifügen. Der gewöhnliche Sinnspruch: Ende gut, alles gut, kann auf moralische Fälle zwar angewandt werden, aber nur, wenn unter dem guten Ende dasjenige verstanden wird, da der Mensch ein wahrhaftig=guter Mensch wird. Aber woran will er sich als einen solchen erkennen, da er es nur aus dem darauf folgenden beharrlich guten Lebenswandel schließen kann, für diesen aber am Ende des Lebens keine Zeit mehr da ist? Von der Glückseligkeit kann dieser Spruch eher eingeräumt werden, aber auch nur in Beziehung auf den Standpunkt, aus dem er sein Leben ansieht, nicht aus dem Anfange, sondern dem Ende desselben, indem er von da auf jenen zurücksieht. Überstandene Leiden lassen keine peinigende Rückerinnerung übrig, wenn man sich schon geborgen sieht, sondern vielmehr ein Frohsein, welches den Genuß des nun eintretenden Glücks nur um desto schmackhafter macht: weil Vergnügen oder Schmerzen, (als zur Sinnlichkeit gehörig) in der Zeitreihe enthalten, mit ihr auch verschwinden und mit dem nun existirenden Lebensgenuß nicht ein Ganzes ausmachen, sondern durch diesen als den nachfolgenden verdrängt werden. Wendet man aber denselben Satz auf die Beurtheilung des moralischen Werths des bis dahin geführten Lebens an, so kann der Mensch sehr unrecht haben, es so zu beurtheilen, ob er gleich dasselbe mit einem ganz guten Wandel beschlossen hat. Denn das moralisch subjective Princip der Gesinnung, wornach sein Leben beurtheilt werden muß, ist (als etwas Übersinnliches) nicht von der Art, daß sein Dasein in Zeitabschnitte theilbar, sondern nur als absolute Einheit gedacht werden kann, und da wir auf die Gesinnung nur aus den Handlungen (als Erscheinungen derselben) schließen können, so wird das Leben zum Behuf dieser Schätzung nur als Zeiteinheit, d. i. als ein Ganzes, in Betrachtung kommen; da dann die Vorwürfe aus dem ersten Theil des Lebens (vor der Besserung) eben so laut mitsprechen als der Beifall im letzteren und den triumphirenden Ton: Ende gut, alles gut! gar sehr dämpfen möchten. - Endlich ist mit jener Lehre von der Dauer der Strafen in einer andern Welt auch noch eine andere nahe verwandt, obgleich nicht einerlei, nämlich: "daß alle Sünden hier vergeben werden müssen", daß die Rechnung mit dem Ende des Lebens völlig abgeschlossen sein [Seitenumbruch] müsse, und niemand hoffen könne, das hier Versäumte etwa dort noch einzubringen. Sie kann sich aber eben so wenig wie die vorige als Dogma ankündigen, sondern ist nur ein Grundsatz, durch welchen sich die praktische Vernunft im Gebrauche ihrer Begriffe des Übersinnlichen die Regel vorschreibt, indessen sie sich bescheidet: daß sie von der objectiven Beschaffenheit des Letzteren nichts weiß. Sie sagt nämlich nur so viel: Wir können nur aus unserm geführten Lebenswandel schließen, ob wir Gott wohlgefällige Menschen sind, oder nicht, und da derselbe mit diesem Leben zu Ende geht, so schließt sich auch für uns die Rechnung, deren Facit es allein geben muß, ob wir uns für gerechtfertigt halten können, oder nicht. - Überhaupt, wenn wir statt der constitutiven Principien der Erkenntniß übersinnlicher Objecte, deren Einsicht uns doch unmöglich ist, unser Urtheil auf die regulative, sich an dem möglichen praktischen Gebrauch derselben begnügende Principien einschränkten, so würde es in gar vielen Stücken mit der menschlichen Weisheit besser stehen und nicht vermeintliches Wissen dessen, wovon man im Grunde nichts weiß, grundlose, obzwar eine Zeit lang schimmernde Vernünftelei zum endlich sich doch einmal daraus hervorfindenden Nachtheil der Moralität ausbrüten. |
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