Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 050

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die Unbegreiflichkeit dieser eine göttliche Abkunft verkündigenden Anlage      
  02 muß auf das Gemüth bis zur Begeisterung wirken und es zu den Aufopferungen      
  03 stärken, welche ihm die Achtung für seine Pflicht nur auferlegen      
  04 mag. Dieses Gefühl der Erhabenheit seiner moralischen Bestimmung      
  05 öfter rege zu machen, ist als Mittel der Erweckung sittlicher Gesinnungen      
  06 vorzüglich anzupreisen, weil es dem angebornen Hange zur Verkehrung      
  07 der Triebfedern in den Maximen unserer Willkür gerade entgegen wirkt,      
  08 um in der unbedingten Achtung fürs Gesetz, als der höchsten Bedingung      
  09 aller zu nehmenden Maximen, die ursprüngliche sittliche Ordnung unter      
  10 den Triebfedern und hiemit die Anlage zum Guten im menschlichen Herzen      
  11 in ihrer Reinigkeit wieder herzustellen.      
  12 Aber dieser Wiederherstellung durch eigene Kraftanwendung steht ja      
  13 der Satz von der angebornen Verderbtheit der Menschen für alles Gute      
  14 gerade entgegen? Allerdings, was die Begreiflichkeit, d. i. unsere Einsicht      
  15 von der Möglichkeit derselben, betrifft, wie alles dessen, was als Begebenheit      
  16 in der Zeit (Veränderung) und so fern nach Naturgesetzen als      
  17 nothwendig und dessen Gegentheil doch zugleich unter moralischen Gesetzen      
  18 als durch Freiheit möglich vorgestellt werden soll; aber der Möglichkeit      
  19 dieser Wiederherstellung selbst ist er nicht entgegen. Denn wenn das moralische      
  20 Gesetz gebietet: wir sollen jetzt bessere Menschen sein, so folgt unumgänglich:      
  21 wir müssen es auch können. Der Satz vom angebornen      
  22 Bösen ist in der moralischen Dogmatik von gar keinem Gebrauch: denn      
  23 die Vorschriften derselben enthalten eben dieselben Pflichten und bleiben      
  24 auch in derselben Kraft, ob ein angeborner Hang zur Übertretung in uns      
  25 sei, oder nicht. In der moralischen Ascetik aber will dieser Satz mehr,      
           
    † Den Begriff der Freiheit mit der Idee von Gott, als einem nothwendigen Wesen, zu vereinigen, hat gar keine Schwierigkeit: weil die Freiheit nicht in der Zufälligkeit der Handlung (daß sie gar nicht durch Gründe determinirt sei), d. i. nicht im Indeterminism (daß Gutes oder Böses zu thun Gott gleich möglich sein müsse, wenn man seine Handlung frei nennen sollte), sondern in der absoluten Spontaneität besteht, welche allein beim Prädeterminism Gefahr läuft, wo der Bestimmungsgrund der Handlung in der vorigen Zeit ist, mithin so, daß jetzt die Handlung nicht mehr in meiner Gewalt, sondern in der Hand der Natur ist, mich unwiderstehlich bestimmt; da dann, weil in Gott keine Zeitfolge zu denken ist, diese Schwierigkeit wegfällt.      
           
     

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