Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 552 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | muß also unendlich klein sein, weil sie dem Moment der Acceleration (welches jederzeit | ||||||
| 02 | unendlich klein sein muß) gleich ist, welches bei der Zurückstoßung, da ein unendlich | ||||||
| 03 | kleiner Theil der Materie einem endlichen ein Moment eindrücken soll, der | ||||||
| 04 | Fall nicht ist. Es läßt sich keine Anziehung mit einer endlichen Geschwindigkeit | ||||||
| 05 | denken, ohne daß die Materie durch ihre eigene Anziehungskraft sich selbst durchdringen | ||||||
| 06 | müßte. Denn die Anziehung, welche eine endliche Quantität Materie | ||||||
| 07 | auf eine endliche mit einer endlichen Geschwindigkeit ausübt, muß einer jeden endlichen | ||||||
| 08 | Geschwindigkeit, womit die Materie durch ihre Undurchdringlichkeit, aber | ||||||
| 09 | nur mit einem unendlich kleinen Theil der Quantität ihrer Materie entgegenwirkt, | ||||||
| 10 | in allen Punkten der Zusammendrückung überlegen sein. Wenn die Anziehung | ||||||
| 11 | nur eine Flächenkraft ist, wie man sich den Zusammenhang denkt, so würde das | ||||||
| 12 | Gegentheil von diesem erfolgen. Allein es ist unmöglich ihn so zu denken, wenn | ||||||
| 13 | er wahre Anziehung (und nicht blos äußere Zusammendrückung) sein soll. | ||||||
| 14 | Ein absolut=harter Körper würde derjenige sein, dessen Theile einander so stark | ||||||
| 15 | zögen, daß sie durch kein Gewicht getrennt, noch in ihrer Lage gegen einander | ||||||
| 16 | verändert werden könnten. Weil nun die Theile der Materie eines solchen Körpers | ||||||
| 17 | sich mit einem Moment der Acceleration ziehen müßten , welches gegen das der | ||||||
| 18 | Schwere unendlich, der Masse aber, welche dadurch getrieben wird, endlich sein | ||||||
| 19 | würde, so müßte der Widerstand durch Undurchdringlichkeit als expansive Kraft, | ||||||
| 20 | da er jederzeit mit einer unendlich=kleinen Quantität der Materie geschieht, mit | ||||||
| 21 | mehr als endlicher Geschwindigkeit der Sollicitation geschehen , d. i. die Materie | ||||||
| 22 | würde sich mit unendlicher Geschwindigkeit auszudehnen trachten, welches unmöglich | ||||||
| 23 | ist. Also ist ein absolut=harter Körper, d. i. ein solcher, der einem mit | ||||||
| 24 | endlicher Geschwindigkeit bewegten Körper im Stoße einen Widerstand, der der | ||||||
| 25 | ganzen Kraft desselben gleich wäre, in einem Augenblick entgegensetzte, unmöglich. | ||||||
| 26 | Folglich leistet eine Materie durch ihre Undurchdringlichkeit oder Zusammenhang | ||||||
| 27 | gegen die Kraft eines Körpers in endlicher Bewegung in einem Augenblicke | ||||||
| 28 | nur unendlich kleinen Widerstand. Hieraus folgt nun das mechanische Gesetz | ||||||
| 29 | der Stetigkeit ( lex continui mechanica ), nämlich: an keinem Körper wird der | ||||||
| 30 | Zustand der Ruhe oder der Bewegung und an dieser der Geschwindigkeit oder der | ||||||
| 31 | Richtung durch den Stoß in einem Augenblicke verändert, sondern nur in einer gewissen | ||||||
| 32 | Zeit durch eine unendliche Reihe von Zwischenzuständen, deren Unterschied | ||||||
| 33 | von einander kleiner ist, als der des ersten und letzten. Ein bewegter Körper, der | ||||||
| 34 | auf eine Materie stößt, wird also durch deren Widerstand nicht auf einmal, sondern | ||||||
| 35 | nur durch continuirliche Retardation zur Ruhe, oder der, so in Ruhe war, nur durch | ||||||
| 36 | continuirliche Acceleration in Bewegung, oder aus einem Grade Geschwindigkeit | ||||||
| 37 | in einen andern nur nach derselben Regel versetzt; imgleichen wird die Richtung | ||||||
| 38 | seiner Bewegung in eine solche, die mit jener einen Winkel macht, nicht anders als | ||||||
| 39 | vermittelst aller möglichen dazwischen liegenden Richtungen, d. i. vermittelst der | ||||||
| 40 | Bewegung in einer krummen Linie, verändert (welches Gesetz aus einem ähnlichen | ||||||
| [ Seite 551 ] [ Seite 553 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||