Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 540

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wäre und blos als intensive Größe betrachtet werden könnte, welches allerdings      
  02 stattfinden würde, wenn die Materie aus Monaden bestände, deren Realität      
  03 in aller Beziehung einen Grad haben muß, welcher größer oder kleiner sein kann,      
  04 ohne von einer Menge der Theile außer einander abzuhängen. Was den Begriff      
  05 der Masse in eben derselben Erklärung betrifft, so kann man ihn nicht wie gewöhnlich      
  06 mit dem der Quantität für einerlei halten. Flüssige Materien können durch      
  07 ihre eigene Bewegung in Masse, sie können aber auch im Flusse wirken. Im sogenannten      
  08 Wasserhammer wirkt das anstoßende Wasser in Masse, d. i. mit allen      
  09 seinen Theilen zugleich; eben das geschieht auch im Wasser, welches, in einem Gefäße      
  10 eingeschlossen, durch sein Gewicht auf die Wagschale, darauf es steht, drückt.      
  11 Dagegen wirkt das Wasser eines Mühlbachs auf die Schaufel des unterschlägigen      
  12 Wasserrades nicht in Masse, d. i. mit allen seinen Theilen, die gegen diese anlaufen,      
  13 zugleich, sondern nur nach einander. Wenn also hier die Quantität der      
  14 Materie, die, mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, die bewegende Kraft hat,      
  15 bestimmt werden soll, so muß man allererst den Wasserkörper, d. i. diejenige      
  16 Quantität der Materie, die, wenn sie in Masse mit einer gewissen Geschwindigkeit      
  17 wirkt (mit ihrer Schwere), dieselbe Wirkung hervorbringen kann, suchen. Daher      
  18 versteht man auch gewöhnlich unter dem Worte Masse die Quantität der Materie      
  19 eines festen Körpers (das Gefäß, darin ein Flüssiges eingeschlossen ist, vertritt      
  20 auch die Stelle der Festigkeit desselben). Was endlich den Lehrsatz mit dem angehängten      
  21 Zusatz zusammen betrifft, so liegt darin etwas Befremdliches: daß nach      
  22 dem ersteren die Quantität der Materie durch die Quantität der Bewegung mit gegebener      
  23 Geschwindigkeit, nach dem zweiten aber wiederum die Quantität der Bewegung      
  24 (eines Körpers; denn die eines Punkts besteht blos aus dem Grade der      
  25 Geschwindigkeit) bei derselben Geschwindigkeit durch die Quantität der bewegten      
  26 Materie geschätzt werden müsse, welches im Cirkel herum zu gehen und weder von      
  27 einem noch dem anderen einen bestimmten Begriff zu versprechen scheint. Allein      
  28 dieser vermeinte Cirkel würde es wirklich sein, wenn er eine wechselseitige Ableitung      
  29 zweier identischen Begriffe von einander wäre. Nun aber enthält er nur einerseits      
  30 die Erklärung eines Begriffs, andererseits die der Anwendung desselben auf Erfahrung.      
  31 Die Quantität des Beweglichen im Raume ist die Quantität der Materie;      
  32 aber diese Quantität der Materie (die Menge des Beweglichen) beweiset      
  33 sich in der Erfahrung nur allein durch die Quantität der Bewegung bei gleicher      
  34 Geschwindigkeit (z. B. durchs Gleichgewicht).      
           
  35 Noch ist zu merken, daß die Quantität der Materie die Quantität der Substanz      
  36 im Beweglichen sei, folglich nicht die Größe einer gewissen Qualität derselben      
  37 (der Zurückstoßung, oder Anziehung, die in der Dynamik angeführt werden),      
  38 und daß das Quantum der Substanz hier nichts anderes als die bloße Menge des      
  39 Beweglichen bedeute, welches die Materie ausmacht. Denn nur diese Menge des      
  40 Bewegten kann bei derselben Geschwindigkeit einen Unterschied in der Quantität      
           
     

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