Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 487 |
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01 | deren Existenz nur von der Erfahrung abgeleitet werden kann, oder überhaupt, | ||||||
02 | daß die Bedingung der Construction nicht selbst ein Begriff sein müsse, der | ||||||
03 | gar nicht a priori in der Anschauung gegeben werden kann, wie z. B. der von Ursache | ||||||
04 | und Wirkung, Handlung und Widerstand etc. Hier ist nun vorzüglich zu bemerken: | ||||||
05 | daß Phoronomie durchaus zuerst Construction der Bewegungen überhaupt | ||||||
06 | als Größen und, da sie die Materie blos als etwas Bewegliches, mithin | ||||||
07 | an welchem gar auf keine Größe derselben Rücksicht genommen wird, zum | ||||||
08 | Gegenstande hat, diese Bewegungen allein als Größen sowohl ihrer Geschwindigkeit | ||||||
09 | als Richtung nach und zwar ihrer Zusammensetzung nach a priori zu bestimmen | ||||||
10 | habe. Denn so viel muß gänzlich a priori und zwar anschauend zum Behuf | ||||||
11 | der angewandten Mathematik ausgemacht werden. Denn die Regeln der Verknüpfung | ||||||
12 | der Bewegungen durch physische Ursachen, d. i. Kräfte, lassen sich, ehe die | ||||||
13 | Grundsätze ihrer Zusammensetzung überhaupt vorher rein mathematisch zum | ||||||
14 | Grunde gelegt worden, niemals gründlich vortragen. | ||||||
15 | Grundsatz. |
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16 | Eine jede Bewegung als Gegenstand einer möglichen Erfahrung | ||||||
17 | kann nach Belieben als Bewegung des Körpers in einem | ||||||
18 | ruhigen Raume, oder als Ruhe des Körpers und dagegen Bewegung | ||||||
19 | des Raumes in entgegengesetzter Richtung mit gleicher | ||||||
20 | Geschwindigkeit angesehen werden. | ||||||
21 | Anmerkung. |
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22 | Von der Bewegung eines Körpers eine Erfahrung zu machen, dazu wird erfordert: | ||||||
23 | daß nicht allein der Körper, sondern auch der Raum, darin er sich bewegt, | ||||||
24 | Gegenstände der äußern Erfahrung, mithin materiell seien. Eine absolute | ||||||
25 | Bewegung also, d. i. in Beziehung auf einen nicht materiellen Raum, ist gar | ||||||
26 | keiner Erfahrung fähig und für uns also nichts (wenn man gleich einräumen | ||||||
27 | wollte, der absolute Raum sei an sich etwas). Aber auch in aller relativen Bewegung | ||||||
28 | kann der Raum selbst, weil er als materiell angenommen wird, wiederum | ||||||
29 | als ruhig oder bewegt vorgestellt werden. Das erstere geschieht, wenn mir über | ||||||
30 | den Raum, in Beziehung auf welchen ich einen Körper als bewegt ansehe, kein | ||||||
31 | mehr erweiterter und ihn einschließender gegeben ist (wie wenn ich in der Kajüte | ||||||
32 | eines Schiffs eine Kugel auf dem Tische bewegt sehe); das zweite, wenn mir über | ||||||
33 | diesen Raum hinaus noch ein anderer Raum, der ihn einschließt, (wie im genannten | ||||||
34 | Falle das Ufer des Flusses) gegeben ist, da ich denn in Ansehung des letzteren | ||||||
35 | den nächsten Raum (die Kajüte) als bewegt und den Körper selbst allenfalls | ||||||
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