Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 419

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 erwartet, daß sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalität      
  02 einer in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht würde.      
  03 Dieser Imperativ der Klugheit würde indessen, wenn man annimmt, die      
  04 Mittel zur Glückseligkeit ließen sich sicher angeben, ein analytisch=praktischer      
  05 Satz sein; denn er ist von dem Imperativ der Geschicklichkeit nur      
  06 darin unterschieden, daß bei diesem der Zweck bloß möglich, bei jenem aber      
  07 gegeben ist; da beide aber bloß die Mittel zu demjenigen gebieten, von dem      
  08 man voraussetzt, daß man es als Zweck wollte: so ist der Imperativ, der      
  09 das Wollen der Mittel für den, der den Zweck will, gebietet, in beiden      
  10 Fällen analytisch. Es ist also in Ansehung der Möglichkeit eines solchen      
  11 Imperativs auch keine Schwierigkeit.      
           
  12 Dagegen, wie der Imperativ der Sittlichkeit möglich sei, ist ohne      
  13 Zweifel die einzige einer Auflösung bedürftige Frage, da er gar nicht      
  14 hypothetisch ist und also die objectiv=vorgestellte Nothwendigkeit sich auf      
  15 keine Voraussetzung stützen kann, wie bei den hypothetischen Imperativen.      
  16 Nur ist immer hiebei nicht aus der Acht zu lassen, daß es durch kein      
  17 Beispiel, mithin empirisch, auszumachen sei, ob es überall irgend einen      
  18 dergleichen Imperativ gebe, sondern zu besorgen, daß alle, die kategorisch      
  19 scheinen, doch versteckter Weise hypothetisch sein mögen. Z. B. wenn es      
  20 heißt: du sollt nichts betrüglich versprechen, und man nimmt an, daß die      
  21 Nothwendigkeit dieser Unterlassung nicht etwa bloße Rathgebung zu Vermeidung      
  22 irgend eines andern Übels sei, so daß es etwa hieße: du sollt nicht      
  23 lügenhaft versprechen, damit du nicht, wenn es offenbar wird, dich um den      
  24 Credit bringest; sondern eine Handlung dieser Art müsse für sich selbst als      
  25 böse betrachtet werden, der Imperativ des Verbots sei also kategorisch: so      
  26 kann man doch in keinem Beispiel mit Gewißheit darthun, daß der Wille      
  27 hier ohne andere Triebfeder, bloß durchs Gesetz, bestimmt werde, ob es      
  28 gleich so scheint; denn es ist immer möglich, daß ingeheim Furcht vor Beschämung,      
  29 vielleicht auch dunkle Besorgniß anderer Gefahren Einfluß auf      
  30 den Willen haben möge. Wer kann das Nichtsein einer Ursache durch Erfahrung      
  31 beweisen, da diese nichts weiter lehrt, als daß wir jene nicht wahrnehmen?      
  32 Auf solchen Fall aber würde der sogenannte moralische Imperativ      
  33 der als ein solcher kategorisch und unbedingt erscheint, in der      
  34 That nur eine pragmatische Vorschrift sein, die uns auf unsern Vortheil      
  35 aufmerksam macht und uns bloß lehrt, diesen in Acht zu nehmen.      
           
  36 Wir werden also die Möglichkeit eines kategorischen Imperativs      
  37 gänzlich a priori zu untersuchen haben, da uns hier der Vortheil nicht zu      
           
     

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