Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 417 |
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01 | zweiten pragmatisch*) (zur Wohlfahrt), die dritten moralisch (zum | ||||||
02 | freien Verhalten überhaupt, d. i. zu den Sitten gehörig) nennen. | ||||||
03 | Nun entsteht die Frage: wie sind alle diese Imperative möglich? | ||||||
04 | Diese Frage verlangt nicht zu wissen, wie die Vollziehung der Handlung, | ||||||
05 | welche der Imperativ gebietet, sondern wie bloß die Nöthigung des Willens, | ||||||
06 | die der Imperativ in der Aufgabe ausdrückt, gedacht werden könne. | ||||||
07 | wie ein Imperativ der Geschicklichkeit möglich sei, bedarf wohl keiner besondern | ||||||
08 | Erörterung. Wer den Zweck will, will (so fern die Vernunft auf | ||||||
09 | seine Handlungen entscheidenden Einfluß hat) auch das dazu unentbehrlich | ||||||
10 | nothwendige Mittel, das in seiner Gewalt ist. Dieser Satz ist, was | ||||||
11 | das Wollen betrifft, analytisch; denn in dem Wollen eines Objects als | ||||||
12 | meiner Wirkung wird schon meine Causalität als handelnde Ursache, d. i. | ||||||
13 | der Gebrauch der Mittel, gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff | ||||||
14 | nothwendiger Handlungen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines | ||||||
15 | Wollens dieses Zwecks heraus (die Mittel selbst zu einer vorgesetzten Absicht | ||||||
16 | zu bestimmen, dazu gehören allerdings synthetische Sätze, die aber | ||||||
17 | nicht den Grund betreffen, den Actus des Willens, sondern das Object | ||||||
18 | wirklich zu machen). Daß, um eine Linie nach einem sichern Princip in | ||||||
19 | zwei gleiche Theile zu theilen, ich aus den Enden derselben zwei Kreuzbogen | ||||||
20 | machen müsse, das lehrt die Mathematik freilich nur durch synthetische | ||||||
21 | Sätze; aber daß, wenn ich weiß, durch solche Handlung allein könne | ||||||
22 | die gedachte Wirkung geschehen, ich, wenn ich die Wirkung vollständig will, | ||||||
23 | auch die Handlung wolle, die dazu erforderlich ist, ist ein analytischer Satz; | ||||||
24 | denn etwas als eine auf gewisse Art durch mich mögliche Wirkung und | ||||||
25 | mich in Ansehung ihrer auf dieselbe Art handelnd vorstellen, ist ganz einerlei. | ||||||
27 | Die Imperativen der Klugheit würden, wenn es nur so leicht wäre, | ||||||
28 | einen bestimmten Begriff von Glückseligkeit zu geben, mit denen der Geschicklichkeit | ||||||
29 | ganz und gar übereinkommen und eben sowohl analytisch sein. | ||||||
30 | Denn es würde eben sowohl hier als dort heißen: wer den Zweck will, will | ||||||
31 | auch (der Vernunft gemäß nothwendig) die einzigen Mittel, die dazu in | ||||||
*) Mich deucht, die eigentliche Bedeutung des Worts pragmatisch könne so am genauesten bestimmt werden. Denn pragmatisch werden die Sanctionen genannt, welche eigentlich nicht aus dem Rechte der Staaten als nothwendige Gesetze, sondern aus der Vorsorge für die allgemeine Wohlfahrt fließen. Pragmatisch ist eine Geschichte abgefaßt, wenn sie klug macht, d. i. die Welt belehrt, wie sie ihren Vortheil besser, oder wenigstens eben so gut als die Vorwelt besorgen könne. | |||||||
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