Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 382

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ganzen Vollständigkeit und in denjenigen beharrlichen Zustand gebracht      
  02 werden kann, da sie nicht im mindesten weiter gebracht und durch spätere      
  03 Entdeckung weder vermehrt, noch auch nur verändert werden kann (den      
  04 Ausputz durch hin und wieder vergrößerte Deutlichkeit oder angehängten      
  05 Nutzen in allerlei Absicht rechne ich hieher nicht), ein Vortheil, den keine      
  06 andere Wissenschaft hat, noch haben kann, weil keine ein so völlig isolirtes,      
  07 von andern unabhängiges und mit ihnen unvermengtes Erkenntnißvermögen      
  08 betrifft. Auch scheint dieser meiner Zumuthung der jetzige Zeitpunkt      
  09 nicht ungünstig zu sein, da man jetzt in Deutschland fast nicht weiß,      
  10 womit man sich außer den so genannten nützlichen Wissenschaften noch      
  11 sonst beschäftigen könne, so daß es doch nicht bloßes Spiel, sondern zugleich      
  12 Geschäfte sei, wodurch ein bleibender Zweck erreicht wird.      
           
  13 Wie die Bemühungen der Gelehrten zu einem solchen Zweck vereinigt      
  14 werden könnten, dazu die Mittel zu ersinnen, muß ich andern überlassen.      
  15 indessen ist meine Meinung nicht, irgend jemanden eine bloße Befolgung      
  16 meiner Sätze zuzumuthen, oder mir auch nur mit der Hoffnung derselben      
  17 zu schmeicheln, sondern es mögen sich, wie es zutrifft, Angriffe, Wiederholungen,      
  18 Einschränkungen, oder auch Bestätigung, Ergänzung und Erweiterung      
  19 dabei zutragen: wenn die Sache nur von Grund aus untersucht      
  20 wird, so kann es jetzt nicht mehr fehlen, daß nicht ein Lehrgebäude, wenn      
  21 gleich nicht das meinige, dadurch zu Stande komme, was ein Vermächtni      
  22 für die Nachkommenschaft werden kann, dafür sie Ursache haben wird,      
  23 dankbar zu sein.      
           
  24 Was, wenn man nur allererst mit den Grundsätzen der Kritik in      
  25 Richtigkeit ist, für eine Metaphysik ihr zu Folge könne erwartet werden      
  26 und wie diese keinesweges dadurch, daß man ihr die falsche Federn abgezogen,      
  27 armselig und zu einer nur kleinen Figur herabgesetzt erscheinen      
  28 dürfe, sondern in anderer Absicht reichlich und anständig ausgestattet erscheinen      
  29 könne, würde hier zu zeigen zu weitläuftig sein; allein andere      
  30 große Nutzen, die eine solche Reform nach sich ziehen würde, fallen sofort      
  31 in die Augen. Die gemeine Metaphysik schaffte dadurch doch schon Nutzen,      
  32 daß sie die Elementarbegriffe des reinen Verstandes aufsuchte, um sie      
  33 durch Zergliederung deutlich und durch Erklärungen bestimmt zu machen.      
  34 Dadurch ward sie eine Cultur für die Vernunft, wohin diese sich auch      
  35 nachher zu wenden gut finden möchte. Allein das war auch alles Gute,      
  36 was sie that. Denn dieses ihr Verdienst vernichtete sie dadurch wieder,      
  37 daß sie durch waghälsige Behauptungen den Eigendünkel, durch subtile      
           
     

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