Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 361 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | ankommt, und so fern können wir, wenn es auf dogmatisch=bestimmte | ||||||
| 02 | Begriffe angesehen ist, nicht über das Feld möglicher Erfahrung hinaus | ||||||
| 03 | kommen. Da aber eine Grenze selbst etwas Positives ist, welches sowohl | ||||||
| 04 | zu dem gehört, was innerhalb derselben, als zum Raume, der außer einem | ||||||
| 05 | gegebenen Inbegriff liegt, so ist es doch eine wirkliche positive Erkenntniß, | ||||||
| 06 | deren die Vernunft blos dadurch theilhaftig wird, daß sie sich bis zu dieser | ||||||
| 07 | Grenze erweitert, so doch, daß sie nicht über diese Grenze hinaus zu gehen | ||||||
| 08 | versucht, weil sie daselbst einen leeren Raum vor sich findet, in welchem sie | ||||||
| 09 | zwar Formen zu Dingen, aber keine Dinge selbst denken kann. Aber die | ||||||
| 10 | Begrenzung des Erfahrungsfeldes durch etwas, was ihr sonst unbekannt | ||||||
| 11 | ist, ist doch eine Erkenntniß, die der Vernunft in diesem Standpunkte noch | ||||||
| 12 | übrig bleibt, dadurch sie nicht innerhalb der Sinnenwelt beschlossen, auch | ||||||
| 13 | nicht außer derselben schwärmend, sondern so, wie es einer Kenntniß der | ||||||
| 14 | Grenze zukommt, sich blos auf das Verhältniß desjenigen, was außerhalb | ||||||
| 15 | derselben liegt, zu dem, was innerhalb enthalten ist, einschränkt. | ||||||
| 16 | Die natürliche Theologie ist ein solcher Begriff auf der Grenze der | ||||||
| 17 | menschlichen Vernunft, da sie sich genöthigt sieht, zu der Idee eines höchsten | ||||||
| 18 | Wesens (und in praktischer Beziehung auch auf die einer intelligibelen | ||||||
| 19 | Welt) hinauszusehen, nicht um in Ansehung dieses bloßen Verstandeswesens, | ||||||
| 20 | mithin außerhalb der Sinnenwelt etwas zu bestimmen, sondern | ||||||
| 21 | nur um ihren eigenen Gebrauch innerhalb derselben nach Principien der | ||||||
| 22 | größtmöglichen (theoretischen sowohl als praktischen) Einheit zu leiten | ||||||
| 23 | und zu diesem Behuf sich der Beziehung derselben auf eine selbständige | ||||||
| 24 | Vernunft, als der Ursache aller dieser Verknüpfungen, zu bedienen, hiedurch | ||||||
| 25 | aber nicht etwa sich blos ein Wesen zu erdichten, sondern, da außer | ||||||
| 26 | der Sinnenwelt nothwendig etwas, was nur der reine Verstand denkt, | ||||||
| 27 | anzutreffen sein muß, dieses nur auf solche Weise, obwohl freilich blos | ||||||
| 28 | nach der Analogie, zu bestimmen. | ||||||
| 29 | Auf solche Weise bleibt unser obiger Satz, der das Resultat der ganzen | ||||||
| 30 | Kritik ist: "daß uns Vernunft durch alle ihre Principien a priori niemals | ||||||
| 31 | etwas mehr, als lediglich Gegenstände möglicher Erfahrung und auch | ||||||
| 32 | von diesen nichts mehr, als was in der Erfahrung erkannt werden kann, | ||||||
| 33 | lehre"; aber diese Einschränkung hindert nicht, daß sie uns nicht bis zur | ||||||
| 34 | objectiven Grenze der Erfahrung, nämlich der Beziehung auf etwas, | ||||||
| 35 | was selbst nicht Gegenstand der Erfahrung, aber doch der oberste Grund | ||||||
| 36 | aller derselben sein muß, führe, ohne uns doch von demselben etwas an | ||||||
| 37 | sich, sondern nur in Beziehung auf ihren eigenen vollständigen und auf | ||||||
| [ Seite 360 ] [ Seite 362 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||