Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 350 |
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Text (Kant):
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| 01 | zum höchsten Zwecke (der immer nur das System aller Zwecke ist) nicht | ||||||
| 02 | gebraucht werden kann; ich verstehe aber hier nicht blos den praktischen, | ||||||
| 03 | sondern auch den höchsten Zweck des speculativen Gebrauchs der Vernunft. | ||||||
| 04 | Die transscendentale Ideen drücken also die eigenthümliche Bestimmung | ||||||
| 05 | der Vernunft aus, nämlich als eines Princips der systematischen | ||||||
| 06 | Einheit des Verstandesgebrauchs. Wenn man aber diese Einheit der Erkenntnißart | ||||||
| 07 | dafür ansieht, als ob sie dem Objecte der Erkenntniß anhänge; | ||||||
| 08 | wenn man sie, die eigentlich blos regulativ ist, für constitutiv hält | ||||||
| 09 | und sich überredet, man könne vermittelst dieser Ideen seine Kenntniß weit | ||||||
| 10 | über alle mögliche Erfahrung, mithin auf transscendente Art erweitern, | ||||||
| 11 | da sie doch blos dazu dient, Erfahrung in ihr selbst der Vollständigkeit so | ||||||
| 12 | nahe wie möglich zu bringen, d. i. ihren Fortgang durch nichts einzuschränken, | ||||||
| 13 | was zur Erfahrung nicht gehören kann: so ist dieses ein bloßer | ||||||
| 14 | Mißverstand in Beurtheilung der eigentlichen Bestimmung unserer Vernunft | ||||||
| 15 | und ihrer Grundsätze und eine Dialektik, die theils den Erfahrungsgebrauch | ||||||
| 16 | der Vernunft verwirrt, theils die Vernunft mit sich selbst entzweiet. | ||||||
| 18 | Beschluß |
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| 19 | von der Grenzbestimmung der reinen Vernunft. |
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| 20 | § 57. |
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| 21 | Nach den allerklärsten Beweisen, die wir oben gegeben haben, würde | ||||||
| 22 | es Ungereimtheit sein, wenn wir von irgend einem Gegenstande mehr zu | ||||||
| 23 | erkennen hofften, als zur möglichen Erfahrung desselben gehört, oder auch | ||||||
| 24 | von irgend einem Dinge, wovon wir annehmen, es sei nicht ein Gegenstand | ||||||
| 25 | möglicher Erfahrung, nur auf das mindeste Erkenntniß Anspruch | ||||||
| 26 | machten, es nach seiner Beschaffenheit, wie es an sich selbst ist, zu bestimmen; | ||||||
| 27 | denn wodurch wollen wir diese Bestimmung verrichten, da Zeit, Raum | ||||||
| 28 | und alle Verstandesbegriffe, vielmehr aber noch die durch empirische Anschauung | ||||||
| 29 | oder Wahrnehmung in der Sinnenwelt gezogene Begriffe | ||||||
| 30 | keinen andern Gebrauch haben, noch haben können, als blos Erfahrung | ||||||
| 31 | möglich zu machen, und lassen wir selbst von den reinen Verstandesbegriffen | ||||||
| 32 | diese Bedingung weg, sie alsdann ganz und gar kein Object bestimmen | ||||||
| 33 | und überall keine Bedeutung haben. | ||||||
| 34 | Es würde aber andererseits eine noch größere Ungereimtheit sein, | ||||||
| 35 | wenn wir gar keine Dinge an sich selbst einräumen, oder unsere Erfahrung | ||||||
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