Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 330

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 in der Metaphysik alles lauter Rhapsodie, wo man niemals weiß, ob      
  02 dessen, was man besitzt, gnug ist, oder ob und wo noch etwas fehlen möge.      
  03 Freilich kann man diesen Vortheil auch nur in der reinen Philosophie      
  04 haben, von dieser aber macht derselbe auch das Wesen aus.      
  05 Da ich den Ursprung der Kategorien in den vier logischen Functionen      
  06 aller Urtheile des Verstandes gefunden hatte, so war es ganz natürlich,      
  07 den Ursprung der Ideen in den drei Functionen der Vernunftschlüsse zu      
  08 suchen; denn wenn einmal solche reine Vernunftbegriffe (transscendentale      
  09 Ideen) gegeben sind, so könnten sie, wenn man sie nicht etwa für angeboren      
  10 halten will, wohl nirgends anders als in derselben Vernunfthandlung      
  11 angetroffen werden, welche, so fern sie blos die Form betrifft,      
  12 das Logische der Vernunftschlüsse, so fern sie aber die Verstandesurtheile      
  13 in Ansehung einer oder der andern Form a priori als bestimmt vorstellt,      
  14 transscendentale Begriffe der reinen Vernunft ausmacht.      
           
  15 Der formale Unterschied der Vernunftschlüsse macht die Eintheilung      
  16 derselben in kategorische, hypothetische und disjunctive nothwendig.      
  17 Die darauf gegründete Vernunftbegriffe enthalten also erstlich die Idee      
  18 des vollständigen Subjects (Substantiale), zweitens die Idee der vollständigen      
  19 Reihe der Bedingungen, drittens die Bestimmung aller Begriffe      
  20 in der Idee eines vollständigen Inbegriffs des Möglichen.*) die erste      
  21 Idee war psychologisch, die zweite kosmologisch, die dritte theologisch; und      
  22 da alle drei zu einer Dialektik Anlaß geben, doch jede auf ihre eigene Art,      
  23 so gründete sich darauf die Eintheilung der ganzen Dialektik der reinen      
  24 Vernunft in den Paralogismus, die Antinomie und endlich das Ideal      
  25 derselben, durch welche Ableitung man völlig sicher gestellt wird, daß alle      
  26 Ansprüche der reinen Vernunft hier ganz vollständig vorgestellt sind, und      
  27 kein einziger fehlen kann, weil das Vernunftvermögen selbst, als woraus      
  28 sie allen ihren Ursprung nehmen, dadurch gänzlich ausgemessen wird.      
           
           
    *) Im disjunctiven Urtheile betrachten wir alle Möglichkeit respectiv auf einen gewissen Begriff als eingetheilt. Das ontologische Princip der durchgängigen Bestimmung eines Dinges überhaupt (von allen möglichen entgegengesetzten Prädicaten kommt jedem Dinge eines zu), welches zugleich das Princip aller disjunctiven Urtheile ist, legt den Inbegriff aller Möglichkeit zum Grunde, in welchem die Möglichkeit jedes Dinges überhaupt als bestimmbar angesehen wird. Dieses dient zu einer kleinen Erläuterung des obigen Satzes: daß die Vernunfthandlung in disjunctiven Vernunftschlüssen der Form nach derjenigen einerlei sei, wodurch sie die Idee eines Inbegriffs aller Realität zu Stande bringt, welche das Positive aller einander entgegengesetzten Prädicate in sich enthält.      
           
     

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