Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 230

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 unserer selbst, die wir aus der identischen Apperception folgeren,      
  02 durch nichts gegeben, sondern wird daraus allererst gefolgert (und auf diese      
  03 müßte, wenn es recht zuginge, allererst der Begriff der Substanz folgen,      
  04 der allein empirisch brauchbar ist). Da nun diese Identität der Person      
  05 aus der Identität des Ich in dem Bewußtsein aller Zeit, darin ich mich      
  06 erkenne, keinesweges folgt, so hat auch oben die Substanzialität der Seele      
  07 darauf nicht gegründet werden können.      
           
  08 Indessen kann so wie der Begriff der Substanz und des Einfachen,      
  09 eben so auch der Begriff der Persönlichkeit (so fern er blos transscendental      
  10 ist, d. i. Einheit des Subjects, das uns übrigens unbekannt ist, in dessen      
  11 Bestimmungen aber eine durchgängige Verknüpfung durch Apperception      
  12 ist) bleiben, und so fern ist dieser Begriff auch zum praktischen Gebrauche      
  13 nöthig und hinreichend; aber auf ihn als Erweiterung unserer Selbsterkenntniß      
  14 durch reine Vernunft, welche uns eine ununterbrochene Fortdauer      
  15 des Subjects aus dem bloßen Begriffe des identischen Selbst vorspiegelt,      
  16 können wir nimmermehr Staat machen, da dieser Begriff sich immer um      
  17 sich selbst herumdreht und uns in Ansehung keiner einzigen Frage, welche      
  18 auf synthetische Erkenntniß angelegt ist, weiter bringt. Was Materie für      
  19 ein Ding an sich selbst (transscendentales Object) sei, ist uns zwar gänzlich      
  20 unbekannt; gleichwohl kann doch die Beharrlichkeit derselben als Erscheinung,      
  21 dieweil sie als etwas Äußerliches vorgestellt wird, beobachtet      
  22 werden. Da ich aber, wenn ich das bloße Ich bei dem Wechsel aller Vorstellungen      
  23 beobachten will, kein ander Correlatum meiner Vergleichungen      
  24 habe, als wiederum mich selbst mit den allgemeinen Bedingungen meines      
  25 Bewußtseins, so kann ich keine andere als tautologische Beantwortungen      
  26 auf alle Fragen geben: indem ich nämlich meinen Begriff und dessen Einheit      
  27 den Eigenschaften, die mir selbst als Object zukommen, unterschiebe      
  28 und das voraussetze, was man zu wissen verlangte.      
           
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Der vierte Paralogism, der Idealität
     
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(des äußeren Verhältnisses).
     
           
           
  31 Dasjenige, auf dessen Dasein nur als einer Ursache zu gegebenen Wahrnehmungen      
  32 geschlossen werden kann, hat eine nur zweifelhafte Existenz.      
           
  33 Nun sind alle äußere Erscheinungen von der Art, daß ihr Dasein      
  34 nicht unmittelbar wahrgenommen, sondern auf sie als die Ursache gegebener      
  35 Wahrnehmungen allein geschlossen werden kann:      
           
     

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