Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 195

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ausdrücken, nämlich kategorische oder hypothetische oder disjunctive      
  02 Vernunftschlüsse.      
           
  03 Wenn, wie mehrentheils geschieht, die Conclusion als ein Urtheil      
  04 aufgegeben worden, um zu sehen, ob es nicht aus schon gegebenen Urtheilen,      
  05 durch die nämlich ein ganz anderer Gegenstand gedacht wird, fließe: so      
  06 suche ich im Verstande die Assertion dieses Schlußsatzes auf, ob sie sich      
  07 nicht in demselben unter gewissen Bedingungen nach einer allgemeinen      
  08 Regel vorfinde. Finde ich nun eine solche Bedingung und läßt sich das      
  09 Object des Schlußsatzes unter der gegebenen Bedingung subsumiren, so      
  10 ist dieser aus der Regel, die auch für andere Gegenstände der Erkenntniß      
  11 gilt, gefolgert. Man sieht daraus, daß die Vernunft im      
  12 Schließen die große Mannigfaltigkeit der Erkenntniß des Verstandes auf      
  13 die kleinste Zahl der Principien (allgemeiner Bedingungen) zu bringen      
  14 und dadurch die höchste Einheit derselben zu bewirken suche.      
           
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C.
     
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Von dem reinen Gebrauche der Vernunft.
     
           
  17 Kann man die Vernunft isoliren und ist sie alsdann noch ein eigener      
  18 Quell von Begriffen und Urtheilen, die lediglich aus ihr entspringen, und      
  19 dadurch sie sich auf Gegenstände bezieht; oder ist sie ein blos subalternes      
  20 Vermögen, gegebenen Erkenntnissen eine gewisse Form zu geben, welche      
  21 logisch heißt, und wodurch die Verstandeserkenntnisse nur einander und      
  22 niedrige Regeln andern, höhern (deren Bedingung die Bedingung der      
  23 ersteren in ihrer Sphäre befaßt) untergeordnet werden, so viel sich durch      
  24 die Vergleichung derselben will bewerkstelligen lassen? Dies ist die Frage,      
  25 mit der wir uns jetzt nur vorläufig beschäftigen. In der That ist Mannigfaltigkeit      
  26 der Regeln und Einheit der Principien eine Forderung der Vernunft,      
  27 um den Verstand mit sich selbst in durchgängigen Zusammenhang      
  28 zu bringen, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung unter      
  29 Begriffe und dadurch jene in Verknüpfung bringt. Aber ein solcher Grundsatz      
  30 schreibt den Objecten kein Gesetz vor und enthält nicht den Grund der      
  31 Möglichkeit, sie als solche überhaupt zu erkennen und zu bestimmen, sondern      
  32 ist blos ein subjectives Gesetz der Haushaltung mit dem Vorrathe      
  33 unseres Verstandes, durch Vergleichung seiner Begriffe den allgemeinen      
  34 Gebrauch derselben auf die kleinstmögliche Zahl derselben zu bringen, ohne      
  35 daß man deswegen von den Gegenständen selbst eine solche Einhelligkeit,      
           
     

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