Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 157

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ist) unaufhörlich überschreitet und sich in Wahn und Blendwerke      
  02 verirrt.      
           
  03 Daß also der Verstand von allen seinen Grundsätzen a priori, ja von      
  04 allen seinen Begriffen keinen andern als empirischen, niemals aber einen      
  05 transscendentalen Gebrauch machen könne, ist ein Satz, der, wenn er mit      
  06 Überzeugung erkannt werden kann, in wichtige Folgen hinaussieht. Der      
  07 transscendentale Gebrauch eines Begriffs in irgend einem Grundsatze ist      
  08 dieser: daß er auf Dinge überhaupt und an sich selbst, der empirische      
  09 aber, wenn er blos auf Erscheinungen, d. i. Gegenstände einer möglichen      
  10 Erfahrung, bezogen wird. Daß aber überall nur der letztere statt      
  11 finden könne, ersieht man daraus. Zu jedem Begriff wird erstlich die      
  12 logische Form eines Begriffs (des Denkens) überhaupt und dann zweitens      
  13 auch die Möglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe,      
  14 erfordert. Ohne diesen letztern hat er keinen Sinn und ist völlig leer      
  15 an Inhalt, ob er gleich noch immer die logische Function enthalten mag,      
  16 aus etwanigen datis einen Begriff zu machen. Nun kann der Gegenstand      
  17 einem Begriffe nicht anders gegeben werden, als in der Anschauung; und      
  18 wenn eine reine Anschauung noch vor dem Gegenstande a priori möglich      
  19 ist, so kann doch auch diese selbst ihren Gegenstand, mithin die objective      
  20 Gültigkeit nur durch die empirische Anschauung bekommen, wovon sie die      
  21 bloße Form ist. Also beziehen sich alle Begriffe und mit ihnen alle Grundsätze,      
  22 so sehr sie auch a priori möglich sein mögen, dennoch auf empirische      
  23 Anschauungen, d. i. auf data zur möglichen Erfahrung. Ohne dieses haben      
  24 sie gar keine objective Gültigkeit, sondern sind ein bloßes Spiel, es sei der      
  25 Einbildungskraft oder des Verstandes, respective mit ihren Vorstellungen.      
  26 Man nehme nur die Begriffe der Mathematik zum Beispiele und      
  27 zwar erstlich in ihren reinen Anschauungen: der Raum hat drei Abmessungen,      
  28 zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein etc.. Obgleich      
  29 alle diese Grundsätze und die Vorstellung des Gegenstandes, womit sich      
  30 jene Wissenschaft beschäftigt, völlig a priori im Gemüth erzeugt werden,      
  31 so würden sie doch gar nichts bedeuten, könnten wir nicht immer an Erscheinungen      
  32 (empirischen Gegenständen) ihre Bedeutung darlegen. Daher      
  33 erfordert man auch, einen abgesonderten Begriff sinnlich zu machen,      
  34 d. i. das ihm correspondirende Object in der Anschauung darzulegen, weil      
  35 ohne dieses der Begriff (wie man sagt) ohne Sinn, d. i. ohne Bedeutung,      
  36 bleiben würde. Die Mathematik erfüllt diese Forderung durch die Construction      
  37 der Gestalt, welche eine den Sinnen gegenwärtige (obzwar      
           
     

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