Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 143

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Zur Erläuterung kann folgendes dienen. In unserm Gemüthe müssen      
  02 alle Erscheinungen, als in einer möglichen Erfahrung enthalten, in Gemeinschaft      
  03 ( communio ) der Apperception stehen, und so fern die Gegenstände      
  04 als zugleich existirend verknüpft vorgestellt werden sollen, so müssen      
  05 sie ihre Stelle in einer Zeit wechselseitig bestimmen und dadurch ein Ganzes      
  06 ausmachen. Soll diese subjective Gemeinschaft auf einem objectiven      
  07 Grunde beruhen oder auf Erscheinungen als Substanzen bezogen werden,      
  08 so muß die Wahrnehmung der einen als Grund die Wahrnehmung der      
  09 andern und so umgekehrt möglich machen, damit die Succession, die jederzeit      
  10 in den Wahrnehmungen als Apprehensionen ist, nicht den Objecten      
  11 beigelegt werde, sondern diese als zugleich existirend vorgestellt werden      
  12 können. Dieses ist aber ein wechselseitiger Einfluß, d. i. eine reale Gemeinschaft      
  13 ( commercium ) der Substanzen, ohne welche also das empirische      
  14 Verhältniß des Zugleichseins nicht in der Erfahrung statt finden könnte.      
  15 Durch dieses Commercium machen die Erscheinungen, so fern sie außer einander,      
  16 und doch in Verknüpfung stehen, ein Zusammengesetztes aus ( compositum      
  17 reale ), und dergleichen Composita werden auf mancherlei Art      
  18 möglich. Die drei dynamische Verhältnisse, daraus alle übrige entspringen,      
  19 sind daher das der Inhärenz, der Consequenz und der Composition.      
           
  20 Dies sind denn also die drei Analogien der Erfahrung. Sie sind nichts      
  21 anders, als Grundsätze der Bestimmung des Daseins der Erscheinungen      
  22 in der Zeit nach allen drei modis derselben, dem Verhältnisse zu der Zeit      
  23 selbst als einer Größe (die Größe des Daseins, d. i. die Dauer), dem Verhältnisse      
  24 in der Zeit als einer Reihe (nach einander), endlich auch in ihr      
  25 als einem Inbegriff alles Daseins (zugleich). Diese Einheit der Zeitbestimmung      
  26 ist durch und durch dynamisch; d. i. die Zeit wird nicht als      
  27 dasjenige angesehen, worin die Erfahrung unmittelbar jedem Dasein seine      
  28 Stelle bestimmte, welches unmöglich ist, weil die absolute Zeit kein Gegenstand      
  29 der Wahrnehmung ist, womit Erscheinungen können zusammengehalten      
  30 werden; sondern die Regel des Verstandes, durch welche allein das      
  31 Dasein der Erscheinungen synthetische Einheit nach Zeitverhältnissen bekommen      
  32 kann, bestimmt jeder derselben ihre Stelle in der Zeit, mithin      
  33 a priori und gültig für alle und jede Zeit.      
           
  34 Unter Natur (im empirischen Verstande) verstehen wir den Zusammenhang      
           
     

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