Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 139

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gesetze der Causalität      
  02 und den Bedingungen der Zeit a priori erwogen werden.*)      
           
  03 Wenn eine Substanz aus einem Zustande a in einen andern b übergeht,      
  04 so ist der Zeitpunkt des zweiten vom Zeitpunkte des ersteren Zustandes      
  05 unterschieden und folgt demselben. Eben so ist auch der zweite      
  06 Zustand als Realität (in der Erscheinung) vom ersteren, darin diese nicht      
  07 war, wie b vom Zero unterschieden; d. i. wenn der Zustand b sich auch      
  08 von dem Zustande a nur der Größe nach unterschiede, so ist die Veränderung      
  09 ein Entstehen von b-a, welches im vorigen Zustande nicht war,      
  10 und in Ansehung dessen er = 0 ist.      
           
  11 Es frägt sich also: wie ein Ding aus einem Zustande = a in einen      
  12 andern = b übergehe. Zwischen zwei Augenblicken ist immer eine Zeit      
  13 und zwischen zwei Zuständen in denselben immer ein Unterschied, der eine      
  14 Größe hat (denn alle Theile der Erscheinungen sind immer wiederum      
  15 Größen). Also geschieht jeder Übergang aus einem Zustande in den andern      
  16 in einer Zeit, die zwischen zwei Augenblicken enthalten ist, deren der      
  17 erste den Zustand bestimmt, aus welchem das Ding herausgeht, der zweite      
  18 den, in welchen es gelangt. Beide also sind Grenzen der Zeit einer Veränderung,      
  19 mithin des Zwischenzustandes zwischen beiden Zuständen und      
  20 gehören als solche mit zu der ganzen Veränderung. Nun hat jede Veränderung      
  21 eine Ursache, welche in der ganzen Zeit, in welcher jene vorgeht,      
  22 ihre Causalität beweiset. Also bringt diese Ursache ihre Veränderung      
  23 nicht plötzlich (auf einmal oder in einem Augenblicke) hervor, sondern in      
  24 einer Zeit, so daß, wie die Zeit vom Anfangsaugenblicke a bis zu ihrer      
  25 Vollendung in b wächst, auch die Größe der Realität (b-a) durch alle      
  26 kleinere Grade, die zwischen dem ersten und letzten enthalten sind, erzeugt      
  27 wird. Alle Veränderung ist also nur durch eine continuirliche Handlung      
  28 der Causalität möglich, welche, so fern sie gleichförmig ist, ein Moment      
  29 heißt. Aus diesen Momenten besteht nicht die Veränderung, sondern wird      
  30 dadurch erzeugt als ihre Wirkung.      
           
  31 Das ist nun das Gesetz der Continuität aller Veränderung, dessen      
  32 Grund dieser ist: daß weder die Zeit, noch auch die Erscheinung in der      
  33 Zeit aus Theilen besteht, die die kleinsten sind, und daß doch der Zustand      
           
    *) Man merke wohl: daß ich nicht von der Veränderung gewisser Relationen überhaupt, sondern von Veränderung des Zustandes rede. Daher wenn ein Körper sich gleichförmig bewegt, so verändert er seinen Zustand (der Bewegung) gar nicht, aber wohl, wenn seine Bewegung zu= oder abnimmt.      
           
     

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