Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 110 |
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| 01 | nach Begriffen vom Gegenstande der Erscheinungen überhaupt, ohne welche | ||||||
| 02 | sie nicht einmal Erkenntniß, sondern eine Rhapsodie von Wahrnehmungen | ||||||
| 03 | sein würde, die sich in keinen Context nach Regeln eines durchgängig verknüpften | ||||||
| 04 | (möglichen) Bewußtseins, mithin auch nicht zur transscendentalen | ||||||
| 05 | und nothwendigen Einheit der Apperception zusammen schicken würden. | ||||||
| 06 | Die Erfahrung hat also Principien ihrer Form a priori zum Grunde | ||||||
| 07 | liegen, nämlich allgemeine Regeln der Einheit in der Synthesis der Erscheinungen, | ||||||
| 08 | deren objective Realität als nothwendige Bedingungen jederzeit | ||||||
| 09 | in der Erfahrung, ja sogar ihrer Möglichkeit gewiesen werden kann. | ||||||
| 10 | Außer dieser Beziehung aber sind synthetische Sätze a priori gänzlich unmöglich, | ||||||
| 11 | weil sie kein Drittes, nämlich keinen Gegenstand, haben, an dem | ||||||
| 12 | die synthetische Einheit ihrer Begriffe objective Realität darthun könnte. | ||||||
| 13 | Ob wir daher gleich vom Raume überhaupt oder den Gestalten, welche | ||||||
| 14 | die productive Einbildungskraft in ihm verzeichnet, so vieles a priori in | ||||||
| 15 | synthetischen Urtheilen erkennen, so daß wir wirklich hiezu gar keiner Erfahrung | ||||||
| 16 | bedürfen, so würde doch dieses Erkenntniß gar nichts, sondern | ||||||
| 17 | die Beschäftigung mit einem bloßen Hirngespinst sein, wäre der Raum | ||||||
| 18 | nicht als Bedingung der Erscheinungen, welche den Stoff zur äußeren Erfahrung | ||||||
| 19 | ausmachen, anzusehen: daher sich jene reine synthetische Urtheile, | ||||||
| 20 | obzwar nur mittelbar, auf mögliche Erfahrung oder vielmehr auf dieser | ||||||
| 21 | ihre Möglichkeit selbst beziehen und darauf allein die objective Gültigkeit | ||||||
| 22 | ihrer Synthesis gründen. | ||||||
| 23 | Da also Erfahrung als empirische Synthesis in ihrer Möglichkeit die | ||||||
| 24 | einzige Erkenntnißart ist, welche aller andern Synthesis Realität giebt, | ||||||
| 25 | so hat diese als Erkenntniß a priori auch nur dadurch Wahrheit (Einstimmung | ||||||
| 26 | mit dem Object), daß sie nichts weiter enthält, als was zur | ||||||
| 27 | synthetischen Einheit der Erfahrung überhaupt nothwendig ist. | ||||||
| 28 | Das oberste Principium aller synthetischen Urtheile ist also: ein jeder | ||||||
| 29 | Gegenstand steht unter den nothwendigen Bedingungen der synthetischen | ||||||
| 30 | Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung. | ||||||
| 32 | Auf solche Weise sind synthetische Urtheile a priori möglich, wenn | ||||||
| 33 | wir die formale Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der | ||||||
| 34 | Einbildungskraft und die nothwendige Einheit derselben in einer transscendentalen | ||||||
| 35 | Apperception, auf ein mögliches Erfahrungserkenntniß überhaupt | ||||||
| 36 | beziehen und sagen: die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung | ||||||
| 37 | überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der | ||||||
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