Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 039 |
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01 | der sinnlichen Anschauung) sind in der Zeit, so hat der Grundsatz seine | ||||||
02 | gute objective Richtigkeit und Allgemeinheit a priori. | ||||||
03 | Unsere Behauptungen lehren demnach empirische Realität der | ||||||
04 | Zeit, d. i. objective Gültigkeit in Ansehung aller Gegenstände, die jemals | ||||||
05 | unsern Sinnen gegeben werden mögen. Und da unsere Anschauung jederzeit | ||||||
06 | sinnlich ist, so kann uns in der Erfahrung niemals ein Gegenstand | ||||||
07 | gegeben werden, der nicht unter die Bedingung der Zeit gehörte. Dagegen | ||||||
08 | streiten wir der Zeit allen Anspruch auf absolute Realität, da sie | ||||||
09 | nämlich, auch ohne auf die Form unserer sinnlichen Anschauung Rücksicht | ||||||
10 | zu nehmen, schlechthin den Dingen als Bedingung oder Eigenschaft anhinge. | ||||||
11 | Solche Eigenschaften, die den Dingen an sich zukommen, können | ||||||
12 | uns durch die Sinne auch niemals gegeben werden. Hierin besteht also | ||||||
13 | die transscendentale Idealität der Zeit, nach welcher sie, wenn man | ||||||
14 | von den subjectiven Bedingungen der sinnlichen Anschauung abstrahirt, | ||||||
15 | gar nichts ist und den Gegenständen an sich selbst (ohne ihr Verhältniß | ||||||
16 | auf unsere Anschauung) weder subsistirend noch inhärirend beigezählt | ||||||
17 | werden kann. Doch ist diese Idealität eben so wenig wie die des Raumes | ||||||
18 | mit den Subreptionen der Empfindungen in Vergleichung zu stellen, | ||||||
19 | weil man doch dabei von der Erscheinung selbst, der diese Prädicate inhäriren, | ||||||
20 | voraussetzt, daß sie objective Realität habe, die hier gänzlich wegfällt, | ||||||
21 | außer so fern sie blos empirisch ist, d. i. den Gegenstand selbst blos | ||||||
22 | als Erscheinung ansieht: wovon die obige Anmerkung des ersteren Abschnitts | ||||||
23 | nachzusehen ist. | ||||||
24 | Erläuterung. |
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25 | Wider diese Theorie, welche der Zeit empirische Realität zugesteht, | ||||||
26 | aber die absolute und transscendentale streitet, habe ich von einsehenden | ||||||
27 | Männern einen Einwurf so einstimmig vernommen, daß ich daraus abnehme, | ||||||
28 | er müsse sich natürlicher Weise bei jedem Leser, dem diese Betrachtungen | ||||||
29 | ungewohnt sind, vorfinden. Er lautet so: Veränderungen sind | ||||||
30 | wirklich (dies beweiset der Wechsel unserer eigenen Vorstellungen, wenn | ||||||
31 | man gleich alle äußere Erscheinungen sammt deren Veränderungen leugnen | ||||||
32 | wollte). Nun sind Veränderungen nur in der Zeit möglich, folglich | ||||||
33 | ist die Zeit etwas Wirkliches. Die Beantwortung hat keine Schwierigkeit. | ||||||
34 | Ich gebe das ganze Argument zu. Die Zeit ist allerdings etwas Wirkliches, | ||||||
35 | nämlich die wirkliche Form der innern Anschauung. Sie hat also | ||||||
36 | subjective Realität in Ansehung der innern Erfahrung, d. i. ich habe | ||||||
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