Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 552 |
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| 01 | daß man die Größe und Weite des Mondes sicherer nach dem Augenmaße, | ||||||
| 02 | als durch mathematische Umschweife bestimmen könne. Es ist bloße Misologie, | ||||||
| 03 | auf Grundsätze gebracht, und, welches das Ungereimteste ist, die | ||||||
| 04 | Vernachlässigung aller künstlichen Mittel, als eine eigene Methode angerühmt, | ||||||
| 05 | seine Erkenntniß zu erweitern. Denn was die Naturalisten aus | ||||||
| 06 | Mangel mehrerer Einsicht betrifft, so kann man ihnen mit Grunde nichts | ||||||
| 07 | zur Last legen. Sie folgen der gemeinen Vernunft, ohne sich ihrer Unwissenheit | ||||||
| 08 | als einer Methode zu rühmen, die das Geheimniß enthalten | ||||||
| 09 | solle, die Wahrheit aus Demokrits tiefem Brunnen herauszuholen. | ||||||
| 10 | Quod sapio, satis est mihi, non ego curo esse quod Arcesilas aerumnosique | ||||||
| 11 | Solones , Pers., ist ihr Wahlspruch, bei dem sie vergnügt und beifallswürdig | ||||||
| 12 | leben können, ohne sich um die Wissenschaft zu bekümmern, | ||||||
| 13 | noch deren Geschäfte zu verwirren. | ||||||
| 14 | Was nun die Beobachter einer scientifischen Methode betrifft, so | ||||||
| 15 | haben sie hier die Wahl, entweder dogmatisch oder sceptisch, in allen | ||||||
| 16 | Fällen aber doch die Verbindlichkeit, systematisch zu verfahren. Wenn | ||||||
| 17 | ich hier in Ansehung der ersteren den berühmten Wolff, bei der zweiten | ||||||
| 18 | David Hume nenne, so kann ich die übrigen meiner jetzigen Absicht nach | ||||||
| 19 | ungenannt lassen. Der kritische Weg ist allein noch offen. Wenn der | ||||||
| 20 | Leser diesen in meiner Gesellschaft durchzuwandern Gefälligkeit und Geduld | ||||||
| 21 | gehabt hat, so mag er jetzt urtheilen, ob nicht, wenn es ihm beliebt, | ||||||
| 22 | das Seinige dazu beizutragen, um diesen Fußsteig zur Heeresstraße zu | ||||||
| 23 | machen, dasjenige, was viele Jahrhunderte nicht leisten konnten, noch vor | ||||||
| 24 | Ablauf des gegenwärtigen erreicht werden möge: nämlich die menschliche | ||||||
| 25 | Vernunft in dem, was ihre Wißbegierde jederzeit, bisher aber vergeblich | ||||||
| 26 | beschäftigt hat, zur völligen Befriedigung zu bringen. | ||||||
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