Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 536 |
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01 | haben, als ich wirklich aufzeigen kann; denn was ich auch nur als Hypothese | ||||||
02 | annehme, davon muß ich wenigstens seinen Eigenschaften nach so | ||||||
03 | viel kennen, daß ich nicht seinen Begriff, sondern nur sein Dasein | ||||||
04 | erdichten darf. Das Wort Glauben aber geht nur auf die Leitung, die mir | ||||||
05 | eine Idee giebt, und den subjectiven Einfluß auf die Beförderung meiner | ||||||
06 | Vernunfthandlungen, die mich an derselben festhält, ob ich gleich von ihr | ||||||
07 | nicht im Stande bin in speculativer Absicht Rechenschaft zu geben. | ||||||
08 | Aber der bloß doctrinale Glaube hat etwas Wankendes in sich; man | ||||||
09 | wird oft durch Schwierigkeiten, die sich in der Speculation vorfinden, aus | ||||||
10 | demselben gesetzt, ob man zwar unausbleiblich dazu immer wiederum zurück | ||||||
11 | kehrt. | ||||||
12 | Ganz anders ist es mit dem moralischen Glauben bewandt. Denn | ||||||
13 | da ist es schlechterdings nothwendig, daß etwas geschehen muß, nämlich | ||||||
14 | daß ich dem sittlichen Gesetze in allen Stücken Folge leiste. Der Zweck ist | ||||||
15 | hier unumgänglich festgestellt, und es ist nur eine einzige Bedingung nach | ||||||
16 | aller meiner Einsicht möglich, unter welcher dieser Zweck mit allen gesammten | ||||||
17 | Zwecken zusammenhängt und dadurch praktische Gültigkeit habe, | ||||||
18 | nämlich daß ein Gott und eine künftige Welt sei; ich weiß auch ganz gewiß, | ||||||
19 | daß niemand andere Bedingungen kenne, die auf dieselbe Einheit | ||||||
20 | der Zwecke unter dem moralischen Gesetze führen. Da aber also die sittliche | ||||||
21 | Vorschrift zugleich meine Maxime ist (wie denn die Vernunft gebietet, | ||||||
22 | daß sie es sein soll), so werde ich unausbleiblich ein Dasein Gottes und | ||||||
23 | ein künftiges Leben glauben und bin sicher, daß diesen Glauben nichts | ||||||
24 | wankend machen könne, weil dadurch meine sittliche Grundsätze selbst umgestürzt | ||||||
25 | werden würden, denen ich nicht entsagen kann, ohne in meinen | ||||||
26 | eigenen Augen verabscheuungswürdig zu sein. | ||||||
27 | Auf solche Weise bleibt uns nach Vereitelung aller ehrsüchtigen Absichten | ||||||
28 | einer über die Grenzen aller Erfahrung hinaus herumschweifenden | ||||||
29 | Vernunft noch genug übrig, daß wir damit in praktischer Absicht zufrieden | ||||||
30 | zu sein Ursache haben. Zwar wird freilich sich niemand rühmen können: | ||||||
31 | er wisse, daß ein Gott und daß ein künftig Leben sei; denn wenn er das | ||||||
32 | weiß, so ist er gerade der Mann, den ich längst gesucht habe. Alles Wissen | ||||||
33 | (wenn es einen Gegenstand der bloßen Vernunft betrifft) kann man mittheilen, | ||||||
34 | und ich würde also auch hoffen können, durch seine Belehrung | ||||||
35 | mein Wissen in so bewundrungswürdigem Maße ausgedehnt zu sehen. | ||||||
36 | Nein, die Überzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewißheit, | ||||||
37 | und da sie auf subjectiven Gründen (der moralischen Gesinnung) beruht, | ||||||
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