Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 530 |
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01 | denn ohne diese hätten wir sogar selbst keine Vernunft, weil wir keine | ||||||
02 | Schule für dieselbe haben würden, und keine Cultur durch Gegenstände, | ||||||
03 | welche den Stoff zu solchen Begriffen darböten. Jene zweckmäßige Einheit | ||||||
04 | ist aber nothwendig und in dem Wesen der Willkür selbst gegründet, | ||||||
05 | diese also, welche die Bedingung der Anwendung derselben in concreto | ||||||
06 | enthält, muß es auch sein, und so würde die transscendentale Steigerung | ||||||
07 | unserer Vernunfterkenntniß nicht die Ursache, sondern bloß die Wirkung | ||||||
08 | von der praktischen Zweckmäßigkeit sein, die uns die reine Vernunft auferlegt. | ||||||
10 | Wir finden daher auch in der Geschichte der menschlichen Vernunft: | ||||||
11 | daß, ehe die moralischen Begriffe genugsam gereinigt, bestimmt und die | ||||||
12 | systematische Einheit der Zwecke nach denselben und zwar aus nothwendigen | ||||||
13 | Principien eingesehen waren, die Kenntniß der Natur und selbst ein | ||||||
14 | ansehnlicher Grad der Cultur der Vernunft in manchen anderen Wissenschaften | ||||||
15 | theils nur rohe und umherschweifende Begriffe von der Gottheit | ||||||
16 | hervorbringen konnte, theils eine zu bewundernde Gleichgültigkeit überhaupt | ||||||
17 | in Ansehung dieser Frage übrig ließ. Eine größere Bearbeitung | ||||||
18 | sittlicher Ideen, die durch das äußerst reine Sittengesetz unserer Religion | ||||||
19 | nothwendig gemacht wurde, schärfte die Vernunft auf den Gegenstand | ||||||
20 | durch das Interesse, das sie an demselben zu nehmen nöthigte; und ohne | ||||||
21 | daß weder erweiterte Naturkenntnisse, noch richtige und zuverlässige transscendentale | ||||||
22 | Einsichten (dergleichen zu aller Zeit gemangelt haben) dazu | ||||||
23 | beitrugen, brachten sie einen Begriff vom göttlichen Wesen zu Stande, den | ||||||
24 | wir jetzt für den richtigen halten, nicht weil uns speculative Vernunft von | ||||||
25 | dessen Richtigkeit überzeugt, sondern weil er mit den moralischen Vernunftprincipien | ||||||
26 | vollkommen zusammenstimmt. Und so hat am Ende doch immer | ||||||
27 | nur reine Vernunft, aber nur in ihrem praktischen Gebrauche das | ||||||
28 | Verdienst, ein Erkenntniß, das die bloße Speculation nur wähnen, aber | ||||||
29 | nicht geltend machen kann, an unser höchstes Interesse zu knüpfen und dadurch | ||||||
30 | zwar nicht zu einem demonstrirten Dogma, aber doch zu einer | ||||||
31 | schlechterdings nothwendigen Voraussetzung bei ihren wesentlichsten | ||||||
32 | Zwecken zu machen. | ||||||
33 | Wenn aber praktische Vernunft nun diesen hohen Punkt erreicht hat, | ||||||
34 | nämlich den Begriff eines einigen Urwesens als des höchsten Guts, so | ||||||
35 | darf sie sich gar nicht unterwinden, gleich als hätte sie sich über alle empirische | ||||||
36 | Bedingungen seiner Anwendung erhoben und zur unmittelbaren | ||||||
37 | Kenntniß neuer Gegenstände emporgeschwungen, um von diesem Begriffe | ||||||
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