Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 472 |
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01 | in meinem Begriffe vom Triangel wirklich denke (dieses ist nichts weiter | ||||||
02 | als die bloße Definition); vielmehr soll ich über ihn zu Eigenschaften, die | ||||||
03 | in diesem Begriffe nicht liegen, aber doch zu ihm gehören, hinausgehen. | ||||||
04 | Nun ist dieses nicht anders möglich, als daß ich meinen Gegenstand nach | ||||||
05 | den Bedingungen entweder der empirischen Anschauung, oder der reinen | ||||||
06 | Anschauung bestimme. Das erstere würde nur einen empirischen Satz | ||||||
07 | (durch Messen seiner Winkel), der keine Allgemeinheit, noch weniger Nothwendigkeit | ||||||
08 | enthielte, abgeben, und von dergleichen ist gar nicht die Rede. | ||||||
09 | Das zweite Verfahren aber ist die mathematische und zwar hier die geometrische | ||||||
10 | Construction, vermittelst deren ich in einer reinen Anschauung | ||||||
11 | eben so wie in der empirischen das Mannigfaltige, was zu dem Schema | ||||||
12 | eines Triangels überhaupt, mithin zu seinem Begriffe gehört, hinzusetze, | ||||||
13 | wodurch allerdings allgemeine synthetische Sätze construirt werden | ||||||
14 | müssen. | ||||||
15 | Ich würde also umsonst über den Triangel philosophiren, d. i. discursiv | ||||||
16 | nachdenken, ohne dadurch im mindesten weiter zu kommen, als auf | ||||||
17 | die bloße Definition, von der ich aber billig anfangen müßte. Es giebt | ||||||
18 | zwar eine transscendentale Synthesis aus lauter Begriffen, die wiederum | ||||||
19 | allein dem Philosophen gelingt, die aber niemals mehr als ein Ding überhaupt | ||||||
20 | betrifft, unter welchen Bedingungen dessen Wahrnehmung zur möglichen | ||||||
21 | Erfahrung gehören könne. Aber in den mathematischen Aufgaben | ||||||
22 | ist hievon und überhaupt von der Existenz gar nicht die Frage, sondern | ||||||
23 | von den Eigenschaften der Gegenstände an sich selbst, lediglich so fern diese | ||||||
24 | mit dem Begriffe derselben verbunden sind. | ||||||
25 | Wir haben in dem angeführten Beispiele nur deutlich zu machen gesucht, | ||||||
26 | welcher große Unterschied zwischen dem discursiven Vernunftgebrauch | ||||||
27 | nach Begriffen und dem intuitiven durch die Construction der Begriffe | ||||||
28 | anzutreffen sei. Nun frägts sich natürlicher Weise, was die Ursache | ||||||
29 | sei, die einen solchen zwiefachen Vernunftgebrauch nothwendig macht, und | ||||||
30 | an welchen Bedingungen man erkennen könne, ob nur der erste, oder auch | ||||||
31 | der zweite stattfinde. | ||||||
32 | Alle unsere Erkenntniß bezieht sich doch zuletzt auf mögliche Anschauungen; | ||||||
33 | denn durch diese allein wird ein Gegenstand gegeben. Nun enthält | ||||||
34 | ein Begriff a priori (ein nicht empirischer Begriff) entweder schon | ||||||
35 | eine reine Anschauung in sich, und alsdann kann er construirt werden; | ||||||
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