Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 461 |
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| 01 | vollendete Kritik, daß alle Vernunft im speculativen Gebrauche mit diesen | ||||||
| 02 | Elementen niemals über das Feld möglicher Erfahrung hinaus kommen | ||||||
| 03 | könne, und daß die eigentliche Bestimmung dieses obersten Erkenntnißvermögens | ||||||
| 04 | sei, sich aller Methoden und der Grundsätze derselben nur zu | ||||||
| 05 | bedienen, um der Natur nach allen möglichen Principien der Einheit, worunter | ||||||
| 06 | die der Zwecke die vornehmste ist, bis in ihr Innerstes nachzugehen, | ||||||
| 07 | niemals aber ihre Grenze zu überfliegen, außerhalb welcher für uns | ||||||
| 08 | nichts als leerer Raum ist. Zwar hat uns die kritische Untersuchung aller | ||||||
| 09 | Sätze, welche unsere Erkenntniß über die wirkliche Erfahrung hinaus erweitern | ||||||
| 10 | können, in der transscendentalen Analytik hinreichend überzeugt, | ||||||
| 11 | daß sie niemals zu etwas mehr, als einer möglichen Erfahrung leiten | ||||||
| 12 | können; und wenn man nicht selbst gegen die klärsten abstracten und allgemeinen | ||||||
| 13 | Lehrsätze mißtrauisch wäre, wenn nicht reizende und scheinbare | ||||||
| 14 | Aussichten uns lockten, den Zwang der ersteren abzuwerfen, so hätten wir | ||||||
| 15 | allerdings der mühsamen Abhörung aller dialektischen Zeugen, die eine | ||||||
| 16 | transscendente Vernunft zum Behuf ihrer Anmaßungen auftreten läßt, | ||||||
| 17 | überhoben sein können; denn wir wußten es schon zum voraus mit völliger | ||||||
| 18 | Gewißheit, daß alles vorgeben derselben zwar vielleicht ehrlich gemeint, | ||||||
| 19 | aber schlechterdings nichtig sein müsse, weil es eine Kundschaft betraf, | ||||||
| 20 | die kein Mensch jemals bekommen kann. Allein weil doch des Redens | ||||||
| 21 | kein Ende wird, wenn man nicht hinter die wahre Ursache des Scheins | ||||||
| 22 | kommt, wodurch selbst der Vernünftigste hintergangen werden kann, und | ||||||
| 23 | die Auflösung aller unserer transscendenten Erkenntniß in ihre Elemente | ||||||
| 24 | (als ein Studium unserer inneren Natur) an sich selbst keinen geringen | ||||||
| 25 | Werth hat, dem Philosophen aber sogar Pflicht ist, so war es nicht allein | ||||||
| 26 | nöthig, diese ganze, obzwar eitele Bearbeitung der speculativen Vernunft | ||||||
| 27 | bis zu ihren ersten Quellen ausführlich nachzusuchen; sondern da der dialektische | ||||||
| 28 | Schein hier nicht allein dem Urtheile nach täuschend, sondern auch | ||||||
| 29 | dem Interesse nach, das man hier am Urtheile nimmt, anlockend und jederzeit | ||||||
| 30 | natürlich ist und so in alle Zukunft bleiben wird, so war es rathsam, | ||||||
| 31 | gleichsam die Acten dieses Processes ausführlich abzufassen und sie im | ||||||
| 32 | Archive der menschlichen Vernunft zu Verhütung künftiger Irrungen ähnlicher | ||||||
| 33 | Art niederzulegen. | ||||||
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