Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 379 |
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01 | Also bleibt uns bei der vor uns liegenden scheinbaren Antinomie noch | ||||||
02 | ein Ausweg offen, da nämlich alle beide einander widerstreitende Sätze in | ||||||
03 | verschiedener Beziehung zugleich wahr sein können, so daß alle Dinge der | ||||||
04 | Sinnenwelt durchaus zufällig sind, mithin auch immer nur empirisch | ||||||
05 | bedingte Existenz haben, gleichwohl von der ganzen Reihe auch eine nichtempirische | ||||||
06 | Bedingung, d. i. ein unbedingt nothwendiges Wesen, stattfinde. | ||||||
07 | Denn dieses würde, als intelligibele Bedingung, gar nicht zur Reihe als | ||||||
08 | ein Glied derselben (nicht einmal als das oberste Glied) gehören und auch | ||||||
09 | kein Glied der Reihe empirisch unbedingt machen, sondern die ganze Sinnenwelt | ||||||
10 | in ihrem durch alle Glieder gehenden empirisch bedingten Dasein | ||||||
11 | lassen. Darin würde sich also diese Art, ein unbedingtes Dasein den Erscheinungen | ||||||
12 | zum Grunde zu legen, von der empirisch unbedingten Causalität | ||||||
13 | (der Freiheit) im vorigen Artikel unterscheiden, daß bei der Freiheit | ||||||
14 | das Ding selbst als Ursache ( substantia phaenomenon ) dennoch in die | ||||||
15 | Reihe der Bedingungen gehörte, und nur seine Causalität als intelligibel | ||||||
16 | gedacht wurde, hier aber das nothwendige Wesen ganz außer der | ||||||
17 | Reihe der Sinnenwelt (als ens extramundanum ) und bloß intelligibel | ||||||
18 | gedacht werden müßte, wodurch allein es verhütet werden kann, daß es | ||||||
19 | nicht selbst dem Gesetze der Zufälligkeit und Abhängigkeit aller Erscheinungen | ||||||
20 | unterworfen werde. | ||||||
21 | Das regulative Princip der Vernunft ist also in Ansehung dieser | ||||||
22 | unserer Aufgabe: daß alles in der Sinnenwelt empirisch bedingte Existenz | ||||||
23 | habe, und daß es überall in ihr in Ansehung keiner Eigenschaft eine unbedingte | ||||||
24 | Nothwendigkeit gebe; daß kein Glied der Reihe von Bedingungen | ||||||
25 | sei, davon man nicht immer die empirische Bedingung in einer möglichen | ||||||
26 | Erfahrung erwarten und, so weit man kann, suchen müsse, und nichts uns | ||||||
27 | berechtige, irgend ein Dasein von einer Bedingung außerhalb der empirischen | ||||||
28 | Reihe abzuleiten, oder auch es als in der Reihe selbst für schlechterdings | ||||||
29 | unabhängig und selbstständig zu halten, gleichwohl aber dadurch | ||||||
30 | gar nicht in Abrede zu ziehen, daß nicht die ganze Reihe in irgend einem | ||||||
31 | intelligibelen Wesen (welches darum von aller empirischen Bedingung frei | ||||||
32 | ist und vielmehr den Grund der Möglichkeit aller dieser Erscheinungen | ||||||
33 | enthält) gegründet sein könne. | ||||||
34 | Es ist aber hiebei gar nicht die Meinung, das unbedingt nothwendige | ||||||
35 | Dasein eines Wesens zu beweisen, oder auch nur die Möglichkeit einer | ||||||
36 | bloß intelligibelen Bedingung der Existenz der Erscheinungen der Sinnenwelt | ||||||
37 | hierauf zu gründen; sondern nur eben so, wie wir die Vernunft einschränken, | ||||||
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