Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 377 |
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01 | unter vorliegenden Umständen gebe, das überschreitet so weit alles | ||||||
02 | Vermögen unserer Vernunft es zu beantworten, ja alle Befugniß derselben | ||||||
03 | nur zu fragen, als ob man früge: woher der transscendentale Gegenstand | ||||||
04 | unserer äußeren sinnlichen Anschauung gerade nur Anschauung im Raume | ||||||
05 | und nicht irgend eine andere gebe. Allein die Aufgabe, die wir aufzulösen | ||||||
06 | hatten, verbindet uns hiezu gar nicht, denn sie war nur diese: ob Freiheit | ||||||
07 | der Naturnothwendigkeit in einer und derselben Handlung widerstreite, | ||||||
08 | und dieses haben wir hinreichend beantwortet, da wir zeigten, daß, da bei | ||||||
09 | jener eine Beziehung auf eine ganz andere Art von Bedingungen möglich | ||||||
10 | ist als bei dieser, das Gesetz der letzteren die erstere nicht afficire, mithin | ||||||
11 | beide von einander unabhängig und durch einander ungestört stattfinden | ||||||
12 | können. | ||||||
13 | Man muß wohl bemerken: daß wir hiedurch nicht die Wirklichkeit | ||||||
14 | der Freiheit als eines der Vermögen, welche die Ursache von den Erscheinungen | ||||||
15 | unserer Sinnenwelt enthalten, haben darthun wollen. Denn | ||||||
16 | außer daß dieses gar keine transscendentale Betrachtung, die bloß mit | ||||||
17 | Begriffen zu thun hat, gewesen sein würde, so könnte es auch nicht gelingen, | ||||||
18 | indem wir aus der Erfahrung niemals auf etwas, was gar nicht nach | ||||||
19 | Erfahrungsgesetzen gedacht werden muß, schließen können. Ferner haben | ||||||
20 | wir auch gar nicht einmal die Möglichkeit der Freiheit beweisen wollen; | ||||||
21 | denn dieses wäre auch nicht gelungen, weil wir überhaupt von keinem Realgrunde | ||||||
22 | und keiner Causalität aus bloßen Begriffen a priori die Möglichkeit | ||||||
23 | erkennen können. Die Freiheit wird hier nur als transscendentale | ||||||
24 | Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der | ||||||
25 | Erscheinung durch das Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, | ||||||
26 | dabei sich aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche sie | ||||||
27 | dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt, verwickelt. Da | ||||||
28 | nun diese Antinomie auf einem bloßen Scheine beruhe, und daß Natur der | ||||||
29 | Causalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das | ||||||
30 | einzige, was wir leisten konnten, und woran es uns auch einzig und | ||||||
31 | allein gelegen war. | ||||||
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