Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 370

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Erscheinung zu suchen und angeben zu können. Wenn dieses eingeräumt      
  02 und durch keine Ausnahme geschwächt wird, so hat der Verstand,      
  03 der bei seinem empirischen Gebrauche in allen Eräugnissen nichts als      
  04 Natur sieht und dazu auch berechtigt ist, alles, was er fordern kann, und      
  05 die physischen Erklärungen gehen ihren ungehinderten Gang fort. Nun      
  06 thut ihm das nicht den mindesten Abbruch, gesetzt daß es übrigens auch      
  07 bloß erdichtet sein sollte, wenn man annimmt, daß unter den Naturursachen      
  08 es auch welche gebe, die ein Vermögen haben, welches nur intelligibel      
  09 ist, indem die Bestimmung desselben zur Handlung niemals auf empirischen      
  10 Bedingungen, sondern auf bloßen Gründen des Verstandes beruht,      
  11 so doch, daß die Handlung in der Erscheinung von dieser Ursache allen      
  12 Gesetzen der empirischen Causalität gemäß sei. Denn auf diese Art würde      
  13 das handelnde Subject als causa phaenomenon mit der Natur in unzertrennter      
  14 Abhängigkeit aller ihrer Handlungen verkettet sein, und nur das      
  15 phaenomenon dieses Subjects (mit aller Causalität desselben in der Erscheinung)      
  16 würde gewisse Bedingungen enthalten, die, wenn man von dem      
  17 empirischen Gegenstande zu dem transscendentalen aufsteigen will, als      
  18 bloß intelligibel müßten angesehen werden. Denn wenn wir nur in dem,      
  19 was unter den Erscheinungen die Ursache sein mag, der Naturregel folgen:      
  20 so können wir darüber unbekümmert sein, was in dem transscendentalen      
  21 Subject, welches uns empirisch unbekannt ist, für ein Grund von diesen      
  22 Erscheinungen und deren Zusammenhange gedacht werde. Dieser intelligibele      
  23 Grund ficht gar nicht die empirischen Fragen an, sondern betrifft      
  24 etwa bloß das Denken im reinen Verstande; und obgleich die Wirkungen      
  25 dieses Denkens und Handelns des reinen Verstandes in den Erscheinungen      
  26 angetroffen werden, so müssen diese doch nichts desto minder aus ihrer      
  27 Ursache in der Erscheinung nach Naturgesetzen vollkommen erklärt werden      
  28 können, indem man den bloß empirischen Charakter derselben als den      
  29 obersten Erklärungsgrund befolgt und den intelligibelen Charakter, der      
  30 die transscendentale Ursache von jenem ist, gänzlich als unbekannt vorbeigeht,      
  31 außer so fern er nur durch den empirischen als das sinnliche Zeichen      
  32 desselben angegeben wird. Laßt uns dieses auf Erfahrung anwenden.      
  33 Der Mensch ist eine von den Erscheinungen der Sinnenwelt und in so      
  34 fern auch eine der Naturursachen, deren Causalität unter empirischen Gesetzen      
  35 stehen muß. Als eine solche muß er demnach auch einen empirischen      
  36 Charakter haben, so wie alle andere Naturdinge. Wir bemerken denselben      
  37 durch Kräfte und Vermögen, die er in seinen Wirkungen äußert. Bei der      
           
     

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