Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 348 |
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01 | dem directen Beweise in der transscendentalen Ästhetik nicht genug hätte. | ||||||
02 | Der Beweis würde in diesem Dilemma bestehen. Wenn die Welt ein an | ||||||
03 | sich existirendes Ganzes ist, so ist sie entweder endlich, oder unendlich. | ||||||
04 | Nun ist das erstere sowohl als das zweite falsch (laut der oben angeführten | ||||||
05 | Beweise der Antithesis einer= und der Thesis andererseits). Also ist es | ||||||
06 | auch falsch, daß die Welt (der Inbegriff aller Erscheinungen) ein an sich | ||||||
07 | existirendes Ganzes sei. Woraus denn folgt, daß Erscheinungen überhaupt | ||||||
08 | außer unseren Vorstellungen nichts sind, welches wir eben durch die transscendentale | ||||||
09 | Idealität derselben sagen wollten. | ||||||
10 | Diese Anmerkung ist von Wichtigkeit. Man sieht daraus, daß die | ||||||
11 | obigen Beweise der vierfachen Antinomie nicht Blendwerke, sondern gründlich | ||||||
12 | waren, unter der Voraussetzung nämlich, daß Erscheinungen oder eine | ||||||
13 | Sinnenwelt, die sie insgesammt in sich begreift, Dinge an sich selbst wären. | ||||||
14 | Der Widerstreit der daraus gezogenen Sätze entdeckt aber, daß in der | ||||||
15 | Voraussetzung eine Falschheit liege, und bringt uns dadurch zu einer | ||||||
16 | Entdeckung der wahren Beschaffenheit der Dinge als Gegenstände der | ||||||
17 | Sinne. Die transscendentale Dialektik thut also keinesweges dem Scepticism | ||||||
18 | einigen Vorschub, wohl aber der sceptischen Methode, welche an ihr | ||||||
19 | ein Beispiel ihres großen Nutzens aufweisen kann, wenn man die Argumente | ||||||
20 | der Vernunft in ihrer größten Freiheit gegen einander auftreten | ||||||
21 | läßt, die, ob sie gleich zuletzt nicht dasjenige, was man suchte, dennoch | ||||||
22 | jederzeit etwas Nützliches und zur Berichtigung unserer Urtheile Dienliches | ||||||
23 | liefern werden. | ||||||
24 | Der |
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25 | Antinomie der reinen Vernunft |
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26 | Achter Abschnitt. |
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27 | Regulatives Princip der reinen Vernunft in Ansehung |
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28 | der kosmologischen Ideen. |
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29 | Da durch den kosmologischen Grundsatz der Totalität kein Maximum | ||||||
30 | der Reihe von Bedingungen in einer Sinnenwelt als einem Dinge an | ||||||
31 | sich selbst gegeben wird, sondern bloß im Regressus derselben aufgegeben | ||||||
32 | werden kann: so behält der gedachte Grundsatz der reinen Vernunft | ||||||
33 | in seiner dergestalt berichtigten Bedeutung annoch seine gute Gültigkeit, | ||||||
34 | zwar nicht als Axiom, die Totalität im Object als wirklich zu denken, | ||||||
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