Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 327 |
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01 | wo es ihrer Gemächlichkeit zuträglich ist, den Faden physischer Untersuchungen | ||||||
02 | abzureißen und mit einem Vorgeben von Erweiterung der Erkenntniß | ||||||
03 | ihn an transscendentale Ideen zu knüpfen, durch die man eigentlich | ||||||
04 | nur erkennt, daß man nichts wisse; wenn, sage ich, der Empirist | ||||||
05 | sich hiemit begnügte, so würde sein Grundsatz eine Maxime der Mäßigung | ||||||
06 | in Ansprüchen, der Bescheidenheit in Behauptungen und zugleich der | ||||||
07 | größtmöglichen Erweiterung unseres Verstandes durch den eigentlich uns | ||||||
08 | vorgesetzten Lehrer, nämlich die Erfahrung, sein. Denn in solchem Falle | ||||||
09 | würden uns intellectuelle Voraussetzungen und Glaube zum Behuf | ||||||
10 | unserer praktischen Angelegenheit nicht genommen werden; nur könnte | ||||||
11 | man sie nicht unter dem Titel und dem Pompe von Wissenschaft und Vernunfteinsicht | ||||||
12 | auftreten lassen, weil das eigentliche speculative Wissen | ||||||
13 | überall keinen anderen Gegenstand als den der Erfahrung treffen kann, | ||||||
14 | und, wenn man ihre Grenze überschreitet, die Synthesis, welche neue und | ||||||
15 | von jener unabhängige Erkenntnisse versucht, kein Substratum der Anschauung | ||||||
16 | hat, an welchem sie ausgeübt werden könnte. | ||||||
17 | So aber, wenn der Empirismus in Ansehung der Ideen (wie es mehrentheils | ||||||
18 | geschieht) selbst dogmatisch wird und dasjenige dreist verneint, | ||||||
19 | was über der Sphäre seiner anschauenden Erkenntnisse ist, so fällt er selbst | ||||||
20 | in den Fehler der Unbescheidenheit, der hier um desto tadelbarer ist, weil | ||||||
21 | dadurch dem praktischen Interesse der Vernunft ein unersetzlicher Nachtheil | ||||||
22 | verursacht wird. | ||||||
23 | Dies ist der Gegensatz des Epikureisms*) gegen den Platonism. | ||||||
*) Es ist indessen noch die Frage, ob Epikur diese Grundsätze als objective Behauptungen jemals vorgetragen habe. Wenn sie etwa weiter nichts als Maximen des speculativen Gebrauchs der Vernunft waren, so zeigte er daran einen ächteren philosophischen Geist, als irgend einer der Weltweisen des Alterthums. Daß man in Erklärung der Erscheinungen so zu Werke gehen müsse, als ob das Feld der Untersuchung durch keine Grenze oder Anfang der Welt abgeschnitten sei; den Stoff der Welt so annehmen, wie er sein muß, wenn wir von ihm durch Erfahrung belehrt werden wollen; daß keine andere Erzeugung der Begebenheiten, als wie sie durch unveränderliche Naturgesetze bestimmt werden, und endlich keine von der Welt unterschiedene Ursache müsse gebraucht werden: sind noch jetzt sehr richtige, aber wenig beobachtete Grundsätze, die speculative Philosophie zu erweitern, so wie auch die Principien der Moral unabhängig von fremden Hülfsquellen auszufinden, ohne da darum derjenige, welcher verlangt, jene dogmatische Sätze, so lange als wir mit der bloßen Speculation beschäftigt sind, zu ignoriren, darum beschuldigt werden darf, er wolle sie leugnen. | |||||||
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