Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 232 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | (Noumenon), ohne auf die Anschauung zu sehen, welche auf unsere Sinne | ||||||
02 | eingeschränkt ist. | ||||||
03 | Ehe wir die transscendentale Analytik verlassen, müssen wir noch | ||||||
04 | etwas hinzufügen, was, obgleich an sich von nicht sonderlicher Erheblichkeit, | ||||||
05 | dennoch zur Vollständigkeit des Systems erforderlich scheinen dürfte. | ||||||
06 | Der höchste Begriff, von dem man eine Transscendentalphilosophie anzufangen | ||||||
07 | pflegt, ist gemeiniglich die Eintheilung in das Mögliche und Unmögliche. | ||||||
08 | Da aber alle Eintheilung einen eingetheilten Begriff voraussetzt, | ||||||
09 | so muß noch ein höherer angegeben werden, und dieser ist der Begriff | ||||||
10 | von einem Gegenstande überhaupt (problematisch genommen und unausgemacht, | ||||||
11 | ob er Etwas oder Nichts sei). Weil die Kategorien die einzigen | ||||||
12 | Begriffe sind, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, so wird die | ||||||
13 | Unterscheidung eines Gegenstandes, ob er Etwas oder Nichts sei, nach der | ||||||
14 | Ordnung und Anweisung der Kategorien fortgehen. | ||||||
15 | 1) Den Begriffen von Allem, Vielem und Einem ist der, so alles | ||||||
16 | aufhebt, d. i. Keines, entgegengesetzt, und so ist der Gegenstand | ||||||
17 | eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung correspondirt, | ||||||
18 | = Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenstand, wie die Noumena, | ||||||
19 | die nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden können, | ||||||
20 | obgleich auch darum nicht für unmöglich ausgegeben werden | ||||||
21 | müssen ( ens rationis ), oder wie etwa gewisse neue Grundkräfte, | ||||||
22 | die man sich denkt, zwar ohne Widerspruch, aber auch ohne Beispiel | ||||||
23 | aus der Erfahrung gedacht werden und also nicht unter die | ||||||
24 | Möglichkeiten gezählt werden müssen. | ||||||
25 | 2) Realität ist Etwas, Negation ist Nichts, nämlich ein Begriff | ||||||
26 | von dem Mangel eines Gegenstandes, wie der Schatten, die Kälte | ||||||
27 | ( nihil privativum ). | ||||||
28 | 3) Die bloße Form der Anschauung ohne Substanz ist an sich kein | ||||||
29 | Gegenstand, sondern die bloß formale Bedingung desselben (als | ||||||
30 | Erscheinung), wie der reine Raum und die reine Zeit, die zwar | ||||||
31 | Etwas sind als Formen anzuschauen, aber selbst keine Gegenstände | ||||||
32 | sind, die angeschauet werden ( ens imaginarium ). | ||||||
33 | 4) Der Gegenstand eines Begriffs, der sich selbst widerspricht, ist | ||||||
34 | Nichts, weil der Begriff nichts ist, das Unmögliche, wie etwa die | ||||||
35 | gradlinige Figur von zwei Seiten ( nihil negativum ). | ||||||
[ Seite 231 ] [ Seite 233 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |