Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 178

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sich ziehen und auf Erscheinungen als mögliche Gegenstände der Erfahrung      
  02 nicht passen würde.      
           
  03 Wie nun überhaupt etwas verändert werden könne; wie es möglich      
  04 sei, daß auf einen Zustand in einem Zeitpunkte ein entgegengesetzter im      
  05 andern folgen könne; davon haben wir a priori nicht den mindesten Begriff.      
  06 Hierzu wird die Kenntniß wirklicher Kräfte erfordert, welche nur      
  07 empirisch gegeben werden kann, z. B. der bewegenden Kräfte oder, welches      
  08 einerlei ist, gewisser successiven Erscheinungen (als Bewegungen), welche      
  09 solche Kräfte anzeigen. Aber die Form einer jeden Veränderung, die Bedingung,      
  10 unter welcher sie als ein Entstehen eines andern Zustandes allein      
  11 vorgehen kann (der Inhalt derselben, d. i. der Zustand, der verändert      
  12 wird, mag sein, welcher er wolle), mithin die Succession der Zustände      
  13 selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gesetze der Causalität und      
  14 den Bedingungen der Zeit a priori erwogen werden. *)      
           
  15 Wenn eine Substanz aus einem Zustande a in einen andern b übergeht,      
  16 so ist der Zeitpunkt des zweiten vom Zeitpunkte des ersteren Zustandes      
  17 unterschieden und folgt demselben. Eben so ist auch der zweite Zustand      
  18 als Realität (in der Erscheinung) vom ersteren, darin diese nicht      
  19 war, wie b vom Zero unterschieden; d. i. wenn der Zustand b sich auch      
  20 von dem Zustande a nur der Größe nach Unterschiede, so ist die Veränderung      
  21 ein Entstehen von b - a, welches im vorigen Zustande nicht war,      
  22 und in Ansehung dessen er = 0 ist.      
           
  23 Es frägt sich also: wie ein Ding aus einem Zustande = a in einen      
  24 andern = b übergehe. Zwischen zwei Augenblicken ist immer eine Zeit      
  25 und zwischen zwei Zuständen in denselben immer ein Unterschied, der eine      
  26 Größe hat (denn alle Theile der Erscheinungen sind immer wiederum      
  27 Größen). Also geschieht jeder Übergang aus einem Zustande in den andern      
  28 in einer Zeit, die zwischen zwei Augenblicken enthalten ist, deren der      
  29 erste den Zustand bestimmt, aus welchem das Ding herausgeht, der zweite      
  30 den, in welchen es gelangt. Beide also sind Grenzen der Zeit einer Veränderung,      
  31 mithin des Zwischenzustandes zwischen beiden Zuständen und      
           
    *) Man merke wohl: daß ich nicht von der Veränderung gewisser Relationen überhaupt, sondern von Veränderung des Zustandes rede. Daher wenn ein Körper sich gleichförmig bewegt, so verändert er seinen Zustand (der Bewegung) gar nicht; aber wohl, wenn seine Bewegung zu= oder abnimmt.      
           
     

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