Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 164 |
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01 | Welt bleibt die Substanz, und nur die Accidenzen wechseln. Ich treffe | ||||||
02 | aber von diesem so synthetischen Satze nirgends auch nur den Versuch von | ||||||
03 | einem Beweise an; ja er steht auch nur selten, wie es ihm doch gebührt, | ||||||
04 | an der Spitze der reinen und völlig a priori bestehenden Gesetze der Natur. | ||||||
05 | In der That ist der Satz, daß die Substanz beharrlich sei, tautologisch. | ||||||
06 | Denn bloß diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung | ||||||
07 | die Kategorie der Substanz anwenden, und man hätte beweisen | ||||||
08 | müssen, daß in allen Erscheinungen etwas Beharrliches sei, an welchem | ||||||
09 | das Wandelbare nichts als Bestimmung seines Daseins ist. Da aber ein | ||||||
10 | solcher Beweis niemals dogmatisch, d. i. aus Begriffen, geführt werden | ||||||
11 | kann, weil er einen synthetischen Satz a priori betrifft, und man niemals | ||||||
12 | daran dachte, daß dergleichen Sätze nur in Beziehung auf mögliche Erfahrung | ||||||
13 | gültig sind, mithin auch nur durch eine Deduction der Möglichkeit | ||||||
14 | der letztern bewiesen werden können: so ist kein Wunder, wenn er | ||||||
15 | zwar bei aller Erfahrung zum Grunde gelegt (weil man dessen Bedürfniß | ||||||
16 | bei der empirischen Erkenntniß fühlt), niemals aber bewiesen worden ist. | ||||||
17 | Ein Philosoph wurde gefragt: wie viel wiegt der Rauch? Er antwortete: | ||||||
18 | ziehe von dem Gewichte des verbrannten Holzes das Gewicht | ||||||
19 | der übrigbleibenden Asche ab, so hast du das Gewicht des Rauchs. Er | ||||||
20 | setzte also als unwidersprechlich voraus: daß selbst im Feuer die Materie | ||||||
21 | (Substanz) nicht vergehe, sondern nur die Form derselben eine Abänderung | ||||||
22 | erleide. Eben so war der Satz: aus nichts wird nichts, nur ein anderer | ||||||
23 | Folgesatz aus dem Grundsatze der Beharrlichkeit, oder vielmehr des | ||||||
24 | immerwährenden Daseins des eigentlichen Subjects an den Erscheinungen. | ||||||
25 | Denn wenn dasjenige an der Erscheinung, was man Substanz | ||||||
26 | nennen will, das eigentliche Substratum aller Zeitbestimmung sein soll, so | ||||||
27 | muß sowohl alles Dasein in der vergangenen, als das der künftigen Zeit | ||||||
28 | daran einzig und allein bestimmt werden können. Daher können wir einer | ||||||
29 | Erscheinung nur darum den Namen Substanz geben, weil wir ihr Dasein | ||||||
30 | zu aller Zeit voraussetzen, welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht | ||||||
31 | einmal wohl ausgedrückt wird, indem dieses mehr auf künftige Zeit geht. | ||||||
32 | Indessen ist die innre Nothwendigkeit zu beharren doch unzertrennlich mit | ||||||
33 | der Nothwendigkeit, immer gewesen zu sein, verbunden, und der Ausdruck | ||||||
34 | mag also bleiben. Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil posse reverti , | ||||||
35 | waren zwei Sätze, welche die Alten unzertrennt verknüpften, und die man | ||||||
36 | aus Mißverstand jetzt bisweilen trennt, weil man sich vorstellt, daß sie | ||||||
37 | Dinge an sich selbst angehen, und der erstere der Abhängigkeit der Welt | ||||||
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