Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 128

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sinnlich, und diese Erkenntniß, so fern der Gegenstand derselben      
  02 gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntniß aber ist Erfahrung.      
  03 Folglich ist uns keine Erkenntniß a priori möglich, als      
  04 lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung.*)      
           
  05 Aber diese Erkenntniß, die bloß auf Gegenstände der Erfahrung eingeschränkt      
  06 ist, ist darum nicht alle von der Erfahrung entlehnt, sondern      
  07 was sowohl die reinen Anschauungen, als die reinen Verstandesbegriffe      
  08 betrifft, so sind sie Elemente der Erkenntniß, die in uns a priori angetroffen      
  09 werden. Nun sind nur zwei Wege, auf welchen eine nothwendige      
  10 Übereinstimmung der Erfahrung mit den Begriffen von ihren Gegenständen      
  11 gedacht werden kann: entweder die Erfahrung macht diese Begriffe,      
  12 oder diese Begriffe machen die Erfahrung möglich. Das erstere      
  13 findet nicht in Ansehung der Kategorien (auch nicht der reinen sinnlichen      
  14 Anschauung statt; denn sie sind Begriffe a priori, mithin unabhängig von      
  15 der Erfahrung (die Behauptung eines empirischen Ursprungs wäre eine      
  16 Art von generatio aequivoca ). Folglich bleibt nur das zweite übrig      
  17 (gleichsam ein System der Epigenesis der reinen Vernunft): daß nämlich      
  18 die Kategorien von Seiten des Verstandes die Gründe der Möglichkeit      
  19 aller Erfahrung überhaupt enthalten. Wie sie aber die Erfahrung      
  20 möglich machen, und welche Grundsätze der Möglichkeit derselben sie in      
  21 ihrer Anwendung auf Erscheinungen an die Hand geben, wird das folgende      
  22 Hauptstück von dem transsc. Gebrauche der Urtheilskraft das      
  23 mehrere lehren.      
           
  24 Wollte jemand zwischen den zwei genannten einzigen Wegen noch      
  25 einen Mittelweg vorschlagen, nämlich daß sie weder selbstgedachte      
  26 erste Principien a priori unserer Erkenntniß, noch auch aus der Erfahrung      
  27 geschöpft, sondern subjective, uns mit unserer Existenz zugleich eingepflanzte      
           
    *) Damit man sich nicht voreiliger Weise an den besorglichen nachtheiligen Folgen dieses Satzes stoße, will ich nur in Erinnerung bringen, daß die Kategorien im Denken durch die Bedingungen unserer sinnlichen Anschauung nicht eingeschränkt sind, sondern ein unbegrenztes Feld haben, und nur das Erkennen dessen, was wir uns denken, das Bestimmen des Objects, Anschauung bedürfe; wo beim Mangel der letzteren der Gedanke vom Objecte übrigens noch immer seine wahre und nützliche Folgen auf den Vernunftgebrauch des Subjects haben kann, der sich aber, weil er nicht immer auf die Bestimmung des Objects, mithin aufs Erkenntniß, sondern auch auf die des Subjects und dessen Wollen gerichtet ist, hier noch nicht vortragen läßt.      
           
     

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