Kant: AA II, Von den verschiedenen Racen ... , Seite 437 |
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| 01 | brauchen) wie veranstaltet zu sein, ob sie gleich auch als natürliche | ||||||
| 02 | Wirkungen des Klima angesehen werden können, die selbst in mildern | ||||||
| 03 | Himmelsstrichen, nur in weit geringerm Maße, zu bemerken sind. So | ||||||
| 04 | entspringt nach und nach das bartlose Kinn, die gepletschte Nase, dünne | ||||||
| 05 | Lippen, blinzende Augen, das flache Gesicht, die röthlich braune Farbe | ||||||
| 06 | mit dem schwarzen Haare, mit einem Worte, die kalmuckische Gesichtsbildung, | ||||||
| 07 | welche in einer langen Reihe von Zeugungen in demselben | ||||||
| 08 | Klima sich bis zu einer dauerhaften Race einwurzelt, die sich erhält, wenn | ||||||
| 09 | ein solches Volk gleich nachher in mildern Himmelsstrichen neue Sitze gewinnt. | ||||||
| 11 | Man wird ohne Zweifel fragen, mit welchem Rechte ich die kalmuckische | ||||||
| 12 | Bildung, welche jetzt in einem mildern Himmelsstriche in ihrer größten | ||||||
| 13 | Vollständigkeit angetroffen wird, tief aus Norden oder Nordosten herleiten | ||||||
| 14 | könne. Meine Ursache ist diese. Herodot berichtet schon aus seinen Zeiten: | ||||||
| 15 | daß die Argippäer, Bewohner eines Landes am Fuße hoher Gebirge, | ||||||
| 16 | in einer Gegend, welche man für die des Uralgebirges halten kann, kahl | ||||||
| 17 | und flachnasicht wären und ihre Bäume mit weißen Decken (vermuthlich | ||||||
| 18 | versteht er Filzzelte) bedeckten. Diese Gestalt findet man jetzt in größerm | ||||||
| 19 | oder kleinerm Maße im Nordosten von Asien, vornehmlich aber in dem | ||||||
| 20 | nordwestlichen Theil von Amerika, den man von der Hudsonsbai aus hat | ||||||
| 21 | entdecken können, wo nach einigen neuen Nachrichten die Bewohner wie | ||||||
| 22 | wahre Kalmucken aussehn. Bedenkt man nun, daß in der ältesten Zeit | ||||||
| 23 | Thiere und Menschen in dieser Gegend zwischen Asien und Amerika müssen | ||||||
| 24 | gewechselt haben, indem man einerlei Thiere in dem kalten Himmelsstriche | ||||||
| 25 | beider Welttheile antrifft, daß diese menschliche Race sich allererst etwa | ||||||
| 26 | 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung (nach dem Desguignes) über den | ||||||
| 27 | Amurstrom hinaus den Chinesen zeigte und nach und nach andere Völker | ||||||
| 28 | von tatarischen, ungrischen und andern Stämmen aus ihren Sitzen vertrieb, | ||||||
| 29 | so wird diese Abstammung aus dem kalten Weltstriche nicht ganz | ||||||
| 30 | erzwungen scheinen. | ||||||
| 31 | Was aber das Vornehmste ist, nämlich die Ableitung der Amerikaner | ||||||
| 32 | als einer nicht völlig eingearteten Race, eines Volks, das lange | ||||||
| 33 | den nordlichsten Weltstrich bewohnt hat, wird gar sehr durch den erstickten | ||||||
| 34 | Haareswuchs an allen Theilen des Körpers außer dem Haupte, durch die | ||||||
| 35 | röthliche Eisenrostfarbe der kälteren und die dunklere Kupferfarbe heißerer | ||||||
| 36 | Landstriche dieses Welttheils bestätigt. Denn das Rothbraune scheint | ||||||
| 37 | (als eine Wirkung der Luftsäure) eben so dem kalten Klima, wie das | ||||||
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