Kant: AA II, Von dem ersten Grunde des ... , Seite 381

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 thut man alles, wozu Geschick und Stärke erfordert wird. So wie aber      
  02 die rechte Seite von der linken den Vortheil der Bewegkraft zu haben      
  03 scheint, so hat die linke ihn vor der rechten in Ansehung der Empfindsamkeit,      
  04 wenn man einigen Naturforschern glauben darf, z. E. dem      
  05 Borelli und Bonnet, deren der erstere von dem linken Auge, der andere      
  06 auch vom linken Ohre behauptet: daß der Sinn in ihnen stärker sei,      
  07 als der an den gleichnamigen Werkzeugen der rechten Seite. Und so sind      
  08 die beiden Seiten des menschlichen Körpers ungeachtet ihrer großen äußeren      
  09 Ähnlichkeit durch eine klare Empfindung gnugsam unterschieden, wenn      
  10 man gleich die verschiedene Lage der inwendigen Theile und das merkliche      
  11 Klopfen des Herzens bei Seite setzt, indem dieser Muskel bei seinem jedesmaligen      
  12 Zusammenziehen mit seiner Spitze in schiefer Bewegung an      
  13 die linke Seite der Brust anstößt.      
           
  14 Wir wollen also darthun: daß der vollständige Bestimmungsgrund      
  15 einer körperlichen Gestalt nicht lediglich auf dem Verhältniß und Lage      
  16 seiner Theile gegen einander beruhe, sondern noch überdem auf einer Beziehung      
  17 gegen den allgemeinen absoluten Raum, so wie ihn sich die Meßkünstler      
  18 denken, doch so, daß dieses Verhältniß nicht unmittelbar kann      
  19 wahrgenommen werden, aber wohl diejenige Unterschiede der Körper, die      
  20 einzig und allein auf diesem Grunde beruhen. Wenn zwei Figuren, auf      
  21 einer Ebene gezeichnet, einander gleich und ähnlich sind, so decken sie einander.      
  22 Allein mit der körperlichen Ausdehnung, oder auch den Linien      
  23 und Flächen, die nicht in einer Ebene liegen, ist es oft ganz anders bewandt.      
  24 Sie können völlig gleich und ähnlich, jedoch an sich selbst so verschieden      
  25 sein, daß die Grenzen der einen nicht zugleich die Grenzen der      
  26 andern sein können. Ein Schraubengewinde, welches um seine Spille      
  27 von der Linken gegen die Rechte geführt ist, wird in eine solche Mutter      
  28 niemals passen, deren Gänge von der Rechten gegen die Linke laufen, obgleich      
  29 die Dicke der Spindel und die Zahl der Schraubengänge in gleicher      
  30 Höhe einstimmig wären. Ein sphärischer Triangel kann einem andern      
  31 völlig gleich und ähnlich sein, ohne ihn doch zu decken. Doch das gemeinste      
  32 und klärste Beispiel haben wir an den Gliedmaßen des menschlichen Körpers,      
  33 welche gegen die Verticalfläche desselben symmetrisch geordnet sind.      
  34 Die rechte Hand ist der linken ähnlich und gleich, und wenn man bloß auf      
  35 eine derselben allein sieht, auf die Proportion und Lage der Theile unter      
  36 einander und auf die Größe des Ganzen, so muß eine vollständige Beschreibung      
  37 der einen in allen Stücken auch von der andern gelten.      
           
     

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