Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 359 |
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01 | Erfahrungen oder Zeugnisse verstohlen hinschielten, die Vernunft so zu | ||||||
02 | lenken, daß sie gerade dahin treffen mußte, wo der treuherzige Schüler sie | ||||||
03 | nicht vermuthet hatte, nämlich dasjenige zu beweisen, wovon man schon | ||||||
04 | vorher wußte, daß es sollte bewiesen werden. Diesen Weg nannten sie | ||||||
05 | alsdann noch den Weg a priori, ob er wohl unvermerkt durch ausgesteckte | ||||||
06 | Stäbe nach dem Punkte a posteriori gezogen war, wobei aber billigermaßen | ||||||
07 | der, so die Kunst versteht, den Meister nicht verrathen muß. Nach | ||||||
08 | dieser sinnreichen Lehrart haben verschiedene verdienstvolle Männer auf | ||||||
09 | dem bloßen Wege der Vernunft sogar Geheimnisse der Religion ertappt, | ||||||
10 | so wie Romanschreiber die Heldin der Geschichte in entfernte Länder fliehen | ||||||
11 | lassen, damit sie ihrem Anbeter durch ein glückliches Abenteuer von ungefähr | ||||||
12 | aufstoße: et fugit ad salices et se cupit ante videri. VIRG. Ich | ||||||
13 | würde mich also bei so gepriesenen Vorgängern in der That nicht zu schämen | ||||||
14 | Ursache haben, wenn ich gleich wirklich eben dasselbe Kunststück gebraucht | ||||||
15 | hätte, um meine Schrift zu einem erwünschten Ausgange zu verhelfen. | ||||||
16 | Allein ich bitte den Leser gar sehr dergleichen nicht von mir zu | ||||||
17 | glauben. Was würde es mir auch jetzt helfen, da ich keinen mehr hintergehen | ||||||
18 | kann, nachdem ich das Geheimniß schon ausgeplaudert habe? Zudem | ||||||
19 | habe ich das Unglück, daß das Zeugniß, worauf ich stoße und was | ||||||
20 | meiner philosophischen Hirngeburt so ungemein ähnlich ist, verzweifelt | ||||||
21 | mißgeschaffen und albern aussieht, so daß ich viel eher vermuthen muß, | ||||||
22 | der Leser werde um der Verwandtschaft mit solchen Beistimmungen willen | ||||||
23 | meine Vernunftgründe für ungereimt, als jene um dieser willen für vernünftig | ||||||
24 | halten. Ich sage demnach ohne Umschweif, daß, was solche anzügliche | ||||||
25 | Vergleichungen anlangt, ich keinen Spaß verstehe, und erkläre | ||||||
26 | kurz und gut, daß man entweder in Schwedenbergs Schriften mehr Klugheit | ||||||
27 | und Wahrheit vermuthen müsse, als der erste Anschein blicken läßt, | ||||||
28 | oder daß es nur so von ungefähr komme, wenn er mit meinem System zusammentrifft, | ||||||
29 | wie Dichter bisweilen, wenn sie rasen, weissagen, wie man | ||||||
30 | glaubt, oder wenigstens wie sie selbst sagen, wenn sie dann und wann mit | ||||||
31 | dem Erfolge zusammentreffen. | ||||||
32 | Ich komme zu meinem Zwecke, nämlich zu den Schriften meines Helden. | ||||||
33 | Wenn manche jetzt vergessene, oder dereinst doch namenlose Schriftsteller | ||||||
34 | kein geringes Verdienst haben, daß sie in der Ausarbeitung großer | ||||||
35 | Werke den Aufwand ihres Verstandes nicht achteten, so gebührt dem | ||||||
36 | Herren Schwedenberg ohne Zweifel die größte Ehre unter allen. Denn | ||||||
37 | gewiß, seine Flasche in der Mondenwelt ist ganz voll und weicht keiner | ||||||
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