Kant: AA II, Träume eines Geistersehers, ... , Seite 325

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zu versperren, um von da aus den Hebezeug meiner Körpermaschine in      
  02 Bewegung zu setzen, oder dadurch selbst getroffen zu werden. Daher würde      
  03 ich einen strengen Beweis verlangen, um dasjenige ungereimt zu finden,      
  04 was die Schullehrer sagten: Meine Seele ist ganz im ganzen Körper      
  05 und ganz in jedem seiner Theile. Der gesunde Verstand bemerkt      
  06 oft die Wahrheit eher, als er die Gründe einsieht, dadurch er sie beweisen      
  07 oder erläutern kann. Der Einwurf würde mich auch nicht gänzlich irre      
  08 machen, wenn man sagte, daß ich auf solche Art die Seele ausgedehnt und      
  09 durch den ganzen Körper verbreitet gedächte, so ungefähr wie sie den Kindern      
  10 in der gemalten Welt abgebildet wird. Denn ich würde diese Hinderni      
  11 dadurch wegräumen, daß ich bemerkte: die unmittelbare Gegenwart      
  12 in einem ganzen Raume beweise nur eine Sphäre der äußeren Wirksamkeit,      
  13 aber nicht eine Vielheit innerer Theile, mithin auch keine Ausdehnung      
  14 oder Figur, als welche nur statt finden, wenn in einem Wesen für      
  15 sich allein gesetzt ein Raum ist, d. i. Theile anzutreffen sind, die sich      
  16 außerhalb einander befinden. Endlich würde ich entweder dieses wenige      
  17 von der geistigen Eigenschaft meiner Seele wissen, oder, wenn man es      
  18 nicht einwilligte, auch zufrieden sein, davon gar nichts zu wissen.      
           
  19 Wollte man diesen Gedanken die Unbegreiflichkeit, oder, welches bei      
  20 den meisten für einerlei gilt, ihre Unmöglichkeit vorrücken, so könnte ich      
  21 es auch geschehen lassen. Alsdann würde ich mich zu den Füßen dieser      
  22 Weisen niederlassen, um sie also reden zu hören: Die Seele des Menschen      
  23 hat ihren Sitz im Gehirne, und ein unbeschreiblich kleiner Platz in demselben      
  24 ist ihr Aufenthalt.*) Daselbst empfindet sie wie die Spinne im      
           
    *) Man hat Beispiele von Verletzungen, dadurch ein guter Theil des Gehirns verloren worden, ohne daß es dem Menschen das Leben oder die Gedanken gekostet hat. Nach der gemeinen Vorstellung, die ich hier anführe, würde ein Atomus desselben haben dürfen entführt, oder aus der Stelle gerückt werden, um in einem Augenblick den Menschen zu entseelen. Die herrschende Meinung der Seele einen Platz im Gehirne anzuweisen, scheint hauptsächlich ihren Ursprung darin zu haben, daß man bei starkem Nachsinnen deutlich fühlt, daß die Gehirnnerven angestrengt werden. Allein wenn dieser Schluß richtig wäre, so würde er auch noch andere Örter der Seele beweisen. In der Bangigkeit oder der Freude scheint die Empfindung ihren Sitz im Herzen zu haben. Viele Affecten, ja die mehrsten äußern ihre Hauptstärke im Zwerchfell. Das Mitleiden bewegt die Eingeweide, und andre Instincte äußern ihren Ursprung und Empfindsamkeit in andern Organen. Die Ursache, die da macht, daß man die nachdenkende Seele vornehmlich im Gehirne zu empfinden glaubt, ist vielleicht diese. Alles Nachsinnen erfordert die Vermittelung [Seitenumbruch] der Zeichen für die zu erweckende Ideen, um in deren Begleitung und Unterstützung diesen den erforderlichen Grad Klarheit zu geben. Die Zeichen unserer Vorstellungen aber sind vornehmlich solche, die entweder durchs Gehör oder das Gesicht empfangen sind, welche beide Sinne durch die Eindrücke im Gehirne bewegt werden, indem ihre Organen auch diesem Theile am nächsten liegen. Wenn nun die Erweckung dieser Zeichen, welche Cartesius ideas materiales nennt, eigentlich eine Reizung der Nerven zu einer ähnlichen Bewegung mit derjenigen ist, welche die Empfindung ehedem hervorbrachte, so wird das Gewebe des Gehirns im Nachdenken vornehmlich genöthigt werden mit vormaligen Eindrücken harmonisch zu beben und dadurch ermüdet werden. Denn wenn das Denken zugleich affectvoll ist, so empfindet man nicht allein Anstrengungen des Gehirnes, sondern zugleich Angriffe der reizbaren Theile, welche sonst mit den Vorstellungen der in Leidenschaft versetzten Seele in Sympathie stehen.      
           
     

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