Kant: AA II, M. Immanuel Kants Nachricht ... , Seite 309 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | denselben Weg lenken. Ich fange demnach nach einer kleinen Einleitung | ||||||
02 | von der empirischen Psychologie an, welche eigentlich die metaphysische | ||||||
03 | Erfahrungswissenschaft vom Menschen ist; denn was den Ausdruck der | ||||||
04 | Seele betrifft, so ist es in dieser Abtheilung noch nicht erlaubt zu behaupten, | ||||||
05 | daß er eine habe. Die zweite Abtheilung, die von der körperlichen | ||||||
06 | Natur überhaupt handeln soll, entlehne ich aus den Hauptstücken der | ||||||
07 | Kosmologie, da von der Materie gehandelt wird, die ich gleichwohl | ||||||
08 | durch einige schriftliche Zusätze vollständig machen werde. Da nun in der | ||||||
09 | ersteren Wissenschaft (zu welcher um der Analogie willen auch die empirische | ||||||
10 | Zoologie, d. i. die Betrachtung der Thiere, hinzugefügt wird) alles | ||||||
11 | Leben, was in unsere Sinne fällt, in der zweiten aber alles Leblose | ||||||
12 | überhaupt erwogen worden, und da alle Dinge der Welt unter diese zwei | ||||||
13 | Classen gebracht werden können: so schreite ich zu der Ontologie, nämlich | ||||||
14 | zur Wissenschaft von den allgemeinern Eigenschaften aller Dinge, deren | ||||||
15 | Schluß den Unterschied der geistigen und materiellen Wesen, imgleichen | ||||||
16 | beider Verknüpfung oder Trennung und also die rationale | ||||||
17 | Psychologie enthält. Hier habe ich nunmehr den großen Vortheil, nicht | ||||||
18 | allein den schon geübten Zuhörer in die schwerste unter allen philosophischen | ||||||
19 | Untersuchungen zu führen, sondern auch, indem ich das Abstracte bei | ||||||
20 | jeglicher Betrachtung in demjenigen Concreto erwäge, welches mir die | ||||||
21 | vorhergegangene Disciplinen an die Hand geben, alles in die größte Deutlichkeit | ||||||
22 | zu stellen, ohne mir selbst vorzugreifen, d. i. etwas zur Erläuterung | ||||||
23 | anführen zu dürfen, was allererst künftig vorkommen soll, welches der gemeine | ||||||
24 | und unvermeidliche Fehler des synthetischen Vortrages ist. Zuletzt | ||||||
25 | kommt die Betrachtung der Ursache aller Dinge, das ist die Wissenschaft | ||||||
26 | von Gott und der Welt. Ich kann nicht umhin noch eines Vortheils zu | ||||||
27 | gedenken, der zwar nur auf zufälligen Ursachen beruht, aber gleichwohl | ||||||
28 | nicht gring zu schätzen ist, und den ich aus dieser Methode zu ziehen gedenke. | ||||||
29 | Jedermann weiß, wie eifrig der Anfang der Collegien von der | ||||||
30 | muntern und unbeständigen Jugend gemacht wird, und wie darauf die | ||||||
31 | Hörsäle allmählig etwas geräumiger werden. Setze ich nun, daß dasjenige, | ||||||
32 | was nicht geschehen soll, gleichwohl alles Erinnerns ungeachtet | ||||||
33 | künftig noch immer geschehen wird: so behält die gedachte Lehrart eine ihr | ||||||
34 | eigene Nutzbarkeit. Denn der Zuhörer, dessen Eifer auch selbst schon gegen | ||||||
35 | das Ende der empirischen Psychologie ausgedunstet wäre (welches doch | ||||||
36 | bei einer solchen Art des Verfahrens kaum zu vermuthen ist), würde gleichwohl | ||||||
37 | etwas gehört haben, was ihm durch seine Leichtigkeit faßlich, durch | ||||||
[ Seite 308 ] [ Seite 310 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |