Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 194 |
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Text (Kant):
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| 01 | solchen, der in derselben Richtung wie jener bewegt wäre, stieße, in ihm | ||||||
| 02 | aufheben würde. So werde ich es auch in dem nächstfolgenden von allen | ||||||
| 03 | Gründen der realen Entgegensetzung in der Welt und nicht blos von denen, | ||||||
| 04 | die den Bewegkräften zukommen, verstehen. Um aber auch von den | ||||||
| 05 | übrigen ein Beispiel zu geben, so würde man sagen können, daß die Lust, | ||||||
| 06 | die ein Mensch hat, und eine Unlust, die ein anderer hat, in potentialer | ||||||
| 07 | Entgegensetzung stehen, wie sie denn auch wirklich gelegentlich eine die | ||||||
| 08 | Folge der andern aufheben, indem bei diesem realen Widerstreit oftmals | ||||||
| 09 | einer dasjenige vernichtigt, was der andere seiner Lust gemäß schafft. Indem | ||||||
| 10 | ich nun die Gründe, welche einander in beiderlei Verstande real entgegen | ||||||
| 11 | gesetzt sind, ganz allgemein nehme, so verlange man von mir nicht, | ||||||
| 12 | daß ich durch Beispiele in Concreto diese Begriffe jederzeit augenscheinlich | ||||||
| 13 | mache. Denn eben so klar und faßlich wie alles, was zu den Bewegungen | ||||||
| 14 | gehört, der Anschauung kann gemacht werden, so schwer und | ||||||
| 15 | undeutlich sind bei uns die Realgründe, die nicht mechanisch sind, um | ||||||
| 16 | die Verhältnisse derselben zu ihren Folgen in der Entgegensetzung oder | ||||||
| 17 | Zusammenstimmung begreiflich zu machen. Ich begnüge mich demnach | ||||||
| 18 | folgende Sätze in ihrem allgemeinen Sinne darzuthun. | ||||||
| 19 | Der erste Satz ist dieser. In allen natürlichen Veränderungen | ||||||
| 20 | der Welt wird die Summe des Positiven, in so fern sie | ||||||
| 21 | dadurch geschätzt wird, daß einstimmige (nicht entgegengesetzte) | ||||||
| 22 | Positionen addirt und real entgegengesetzte von einander abgezogen | ||||||
| 23 | werden, weder vermehrt noch vermindert. | ||||||
| 24 | Alle Veränderung besteht darin: daß entweder etwas Positives, was | ||||||
| 25 | nicht war, gesetzt, oder dasjenige, was da war, aufgehoben wird. Natürlich | ||||||
| 26 | aber ist die Veränderung, in so fern der Grund derselben, eben so wohl | ||||||
| 27 | wie die Folge zur Welt gehört. In dem ersten Falle demnach, da eine | ||||||
| 28 | Position, die nicht war, gesetzt wird, ist die Veränderung ein Entstehen. | ||||||
| 29 | Der Zustand der Welt vor dieser Veränderung ist in Ansehung dieser | ||||||
| 30 | Position dem Zero = 0 gleich, und durch dies Entstehen ist die reale | ||||||
| 31 | Folge = A. Ich sage aber: daß, wenn A entspringt, in einer natürlichen | ||||||
| 32 | Weltveränderung auch -A entspringen müsse, d. i. daß kein natürlicher | ||||||
| 33 | Grund einer realen Folge sein könne, ohne zugleich ein Grund einer | ||||||
| 34 | andern Folge zu sein, die die Negative von ihr ist.*) Denn dieweil die | ||||||
| *) So wie z. E. im Stoße eines Körpers auf einen andern die Hervorbringung einer neuen Bewegung mit der Aufhebung einer gleichen, die vorher war, zugleich [Seitenumbruch] geschieht, und wie niemand aus einem Kahne einen andern schwimmenden Körper nach einer Gegend stoßen kann, ohne selbst nach der entgegengesetzten Richtung getrieben zu werden. | |||||||
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