Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 192 |
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01 | Gesetze, welchen diese zweierlei Arten von Wesen untergeordnet | ||||||
02 | sind, indem der Zustand der Materie niemals anders als durch äußere | ||||||
03 | Ursache, der eines Geistes aber auch durch eine innere Ursache verändert | ||||||
04 | werden kann; die Nothwendigkeit der Realentgegensetzung bleibt indessen | ||||||
05 | bei diesem Unterschiede immer dieselbe. | ||||||
06 | Ich bemerke nochmals, daß es ein betrügerischer Begriff sei, wenn | ||||||
07 | man die Aufhebung der positiven Folgen der Thätigkeit unserer Seele | ||||||
08 | glaubt verstanden zu haben, wenn man sie Unterlassungen nennt. Es | ||||||
09 | ist überaus merkwürdig: daß, je mehr man seine gemeinste und zuversichtlichste | ||||||
10 | Urtheile durchforscht, desto mehr man solche Blendwerke entdeckt, | ||||||
11 | da wir mit Worten zufrieden sind, ohne etwas von den Sachen zu verstehen. | ||||||
12 | Daß ich jetzt einen gewissen Gedanken nicht habe, ist, wenn er | ||||||
13 | vorher auch nicht gewesen ist, daraus freilich verständlich genug, wenn ich | ||||||
14 | sage, ich unterlasse dieses zu denken; denn dieses Wort bedeutet alsdann | ||||||
15 | den Mangel des Grundes, woraus der Mangel der Folge begriffen wird. | ||||||
16 | Heißt es aber: woher ist ein Gedanke in mir nicht mehr, der kurz vorher | ||||||
17 | war?, so ist die vorige Antwort ganz nichtig. Denn dieses Nichtsein ist | ||||||
18 | nunmehr eine Beraubung, und das Unterlassen hat anjetzt einen ganz | ||||||
19 | andern Sinn,*) nämlich die Aufhebung einer Thätigkeit, die kurz vorher | ||||||
20 | war. Dieses ist aber die Frage, die ich thue und bei der ich mich durch | ||||||
21 | ein Wort nicht so leicht abspeisen lasse. Bei der Anwendung der gedachten | ||||||
22 | Regel auf allerlei Fälle der Natur hat man viel Behutsamkeit nöthig, damit | ||||||
23 | man nicht fälschlich etwas Verneinendes für positiv halte, welches | ||||||
24 | leicht geschieht. Denn der Sinn des Satzes, den ich hier angeführt habe, | ||||||
25 | geht auf das Entstehen und Vergehen von etwas, das da positiv ist. Z. E. | ||||||
26 | Das Vergehen einer Flamme, weil die Nahrung erschöpft ist, ist kein | ||||||
27 | negatives Entstehen, d. i. es gründet sich nicht auf eine wahrhafte Bewegkraft, | ||||||
28 | die derjenigen, wodurch sie entsteht, entgegengesetzt ist. Denn die | ||||||
29 | Fortdauer einer Flamme ist nicht die Dauer einer Bewegung, die schon | ||||||
30 | da ist, sondern die beständige Erzeugung neuer Bewegungen anderer | ||||||
31 | brennbarer Dunsttheilchen.**) Demnach ist das Aufhören der Flamme | ||||||
32 | nicht das Aufheben einer wirklichen Bewegung, sondern der Mangel neuer | ||||||
*) Dieser Sinn selbst kommt dem Worte nicht einmal eigentlich zu. | |||||||
**) Ein jeder Körper, dessen Theile sich plötzlich in Dunst verwandeln und also die Zurückstoßung ausüben, die dem Zusammenhange entgegengesetzt ist, sprüht Feuer von sich und brennt, weil das Elementarfeuer, das vorher im Stande der Zusammendrückung war, behende frei wird und sich ausbreitet. | |||||||
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