Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 177 |
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01 | Subjecte durch + oder -. Hier erkennt man, daß A+0=A , | ||||||
02 | A-0=A , 0+0=0 , 0-0=0 *) insgesammt keine Entgegensetzungen | ||||||
03 | sind und daß in keinem etwas, was gesetzt war, aufgehoben wird. Imgleichen | ||||||
04 | ist A+A keine Aufhebung, und es bleibt kein Fall übrig als | ||||||
05 | dieser: A-A=0 , d. i. daß von Dingen, deren eines die Negative des | ||||||
06 | andern ist, beide A und also wahrhaftig positiv sind, doch so, daß eines | ||||||
07 | dasjenige aufhebt, was durchs andre gesetzt ist, welches hier durch das | ||||||
08 | Zeichen - angedeutet wird. | ||||||
09 | Die zweite Regel, welche eigentlich die umgekehrte der ersten ist, | ||||||
10 | lautet also: Allenthalben, wo ein positiver Grund ist und die Folge ist | ||||||
11 | gleichwohl Zero, da ist eine Realentgegensetzung, d. i. dieser Grund ist | ||||||
12 | mit einem andern positiven Grunde in Verknüpfung, welcher die Negative | ||||||
13 | der ersteren ist. Wenn ein Schiff im freien Meer wirklich durch Morgenwind | ||||||
14 | getrieben wird, und es kommt nicht von der Stelle, wenigstens nicht | ||||||
15 | so viel, als der Wind dazu Grund enthält, so muß ein Seestrom ihm entgegenstreichen. | ||||||
16 | Dieses will im allgemeinen Verstande so viel sagen: daß | ||||||
17 | die Aufhebung der Folge eines positiven Grundes jederzeit auch einen | ||||||
18 | positiven Grund erheische. Es sei ein beliebiger Grund zu einer Folge b, | ||||||
19 | so kann niemals die Folge 0 sein, als in so fern ein Grund zu -b, d. i. | ||||||
20 | zu etwas wahrhaftig Positivem, da ist, welches dem ersten entgegengesetzt | ||||||
21 | ist: b-b=0 . Wenn jemands Verlassenschaft 10000 Rthlr. Capital enthält, | ||||||
22 | so kann die ganze Erbschaft nicht blos 6000 Rthlr. ausmachen, außer | ||||||
23 | in so fern 10000-4000=6000 ist, das ist, in so fern vier tausend | ||||||
24 | Thaler Schulden oder anderer Aufwand damit verbunden ist. Das | ||||||
25 | folgende wird zur Erläuterung dieser Gesetze viel beitragen. | ||||||
26 | Ich mache zu dieser Abtheilung noch folgende Anmerkung als zum | ||||||
27 | Beschlusse. Die Verneinung, in so fern sie die Folge einer realen Entgegensetzung | ||||||
28 | ist, will ich Beraubung ( privatio ) nennen; eine jede Verneinung | ||||||
29 | aber, in so fern sie nicht aus dieser Art von Repugnanz entspringt, | ||||||
*) Man könnte hier auf die Gedanken kommen: daß 0-A noch ein Fall sei, der hier ausgelassen worden. Allein dieser ist im philosophischen Verstande unmöglich; denn von Nichts kann was Positives nimmermehr weggenommen werden. Wenn in der Mathematik dieser Ausdruck in der Anwendung richtig ist, so kommt es daher, weil das Zero weder die Vermehrung noch Verminderung durch andre Größen im geringsten etwas ändert. A+0-A ist noch immer A-A , und daher das Zero ganz müßig ist. Der Gedanke, welcher davon entlehnt worden, als wenn negative Größen weniger wie Nichts wären, ist daher nichtig und ungereimt. | |||||||
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