Kant: AA I, M. Immanuel Kants neue ... , Seite 498 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | gringe Bewegung gänzlich verschwinden? Und doch bewegt sich der Wind | ||||||
| 02 | in allen Theilen des Wendezirkels und in allen Tagezeiten gleich stark von | ||||||
| 03 | Morgen gegen Abend. Herr Jurin, der eben dieselbe Meinung unterstützt, | ||||||
| 04 | hat freilich guten Grund, wenn er es nicht beweisen kann, warum nicht | ||||||
| 05 | weit von den Wendezirkeln, da doch gewiß die Sonnenwirkung auch nicht | ||||||
| 06 | unbeträchtlich ist, eben derselbe Ostwind verspürt werde. Denn in der | ||||||
| 07 | That, er kann gar nicht aus der angeführten Ursache erklärt werden. | ||||||
| 08 | Sehet also hier eine andere, welche besser mit den bekanntesten Gründen | ||||||
| 09 | der Naturwissenschaft zusammen stimmt. Die Hitze, die in dem heißen | ||||||
| 10 | Erdstriche und neben demselben stärker ist als anderwärts, erhält die Luft, | ||||||
| 11 | die sich über demselben befindet, in beständiger Verdünnung. Die etwas | ||||||
| 12 | weniger heiße und also auch schwerere Luftstriche, die weiter von dem | ||||||
| 13 | Äquator abstehen, dringen nach den Gesetzen des Gleichgewichts in ihren | ||||||
| 14 | Platz, und weil sie zu dem Äquator sich hin bewegen, so muß ihre nordliche | ||||||
| 15 | Richtung nach der dritten Anmerkung in eine Collateralbewegung | ||||||
| 16 | aus Osten ausschlagen. Daher wird der allgemeine Ostwind zu den Seiten | ||||||
| 17 | des Äquators eigentlich ein Collateralwind sein, der aber unter der | ||||||
| 18 | Linie selber, wo der Südost= und Nordostwind von beiden Hemisphärien | ||||||
| 19 | gegen einander streben, in einen geraden Ostwind ausschlagen muß, je | ||||||
| 20 | weiter aber von der Linie desto mehr nach der Polarrichtung abweicht. | ||||||
| 21 | Bestätigung aus der Erfahrung. |
||||||
| 22 | Die Barometerhöhe ist nach allen einstimmigen Beobachtungen einen | ||||||
| 23 | Zoll niedriger nahe zum Äquator, als in den temperirten Zonen. Folgt | ||||||
| 24 | nun hieraus nicht von selber: daß die Luft dieser letztern Erdstriche nach | ||||||
| 25 | den Gesetzen des Gleichgewichts zum Äquator hindringen müsse, und | ||||||
| 26 | macht diese Bewegung nicht in unserer Halbkugel einen immerwährenden | ||||||
| 27 | Nordwind in der heißen Zone? Woher schlägt er aber immer mehr und | ||||||
| 28 | mehr und endlich unter der Linie gänzlich in einen Ostwind aus? Die | ||||||
| 29 | Antwort findet man am Ende der 4. Anmerkung. Warum aber wird das | ||||||
| 30 | Gleichgewicht hier niemals völlig wieder hergestellt? Weswegen bleibt | ||||||
| 31 | die Luft in dem brennenden Erdgürtel immer um einen Zoll Qücksilberhöhe | ||||||
| 32 | leichter als die in der temperirten Zone? Die immer hier wirksame | ||||||
| 33 | Hitze hält alle Luft in einer stetigen Ausspannung und Verdünnung. | ||||||
| 34 | Wenn also auch neue Luft in diese Gegend dringt, um das Gleichgewicht | ||||||
| 35 | herzustellen, so wird diese eben so wohl wie die vorige ausgebreitet. Die | ||||||
| 36 | erhöhte Luftsäule steigt über die Wasserwage der übrigen und fließt oberwärts | ||||||
| [ Seite 497 ] [ Seite 499 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||