Kant: AA I, M. Immanuel Kants neue ... , Seite 495 |
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01 | Ort auf ihrer Oberfläche hat daher desto mehr Schnelligkeit, je näher er | ||||||
02 | dem Äquator ist, und desto weniger, je weiter er davon entfernt ist. Die | ||||||
03 | Luft, die zu dem Äquator hingeht, trifft auf ihrem Wege also immer | ||||||
04 | Örter an, die mehr Bewegung vom Abend gegen Morgen haben als sie | ||||||
05 | selber. Sie wird also diesen einen Widerstand in entgegengesetzter Richtung, | ||||||
06 | nämlich von Osten nach Westen, leisten, und der Wind wird daher | ||||||
07 | in dieser Collateralrichtung abweichen. Denn es ist einerlei, ob der Boden | ||||||
08 | unter einem flüssigen Wesen, das nicht in gleicher Schnelligkeit nach derselben | ||||||
09 | Richtung bewegt wird, fortrückt, oder ob dieser über den Boden in | ||||||
10 | entgegengesetzter Direction bewegt wird. Wenn dagegen der Wind vom | ||||||
11 | Äquator zum Pole hinweht, so kommt er immer über Örter der Erde, die | ||||||
12 | weniger Bewegung vom Abend gegen Morgen haben als die Luft, die er | ||||||
13 | mit sich führt; denn diese hat eine solche, die der Schnelligkeit des Orts | ||||||
14 | gleich ist, von da er sich ausgebreitet hat. Er wird also über die Örter, | ||||||
15 | worüber er kommt, von Abend gegen Morgen wegziehen, und seine Bewegung | ||||||
16 | zum Pole hin wird mit der Collateralbewegung aus Abend verbunden | ||||||
17 | werden. | ||||||
18 | Um sich dieses deutlich vorzustellen, muß man zürst vor Augen | ||||||
19 | haben, daß, wenn die Atmosphäre im Gleichgewicht ist, ein jeder Theil | ||||||
20 | derselben mit dem Orte der Oberfläche der Erde, worüber er sich befindet, | ||||||
21 | gleiche Geschwindigkeit der Drehung von Abend gegen Morgen habe und | ||||||
22 | in Ansehung desselben in Ruhe sei. Wenn aber ein Theil des Luftkreises | ||||||
23 | in der Richtung des Meridians seinen Platz verändert, so trifft er auf | ||||||
24 | Stellen des Erdbodens, die sich mit mehr oder weniger Schnelligkeit von | ||||||
25 | Abend gegen Morgen bewegen, als er von demjenigen Orte noch an sich | ||||||
26 | hat, von welchem er weggerückt worden. Er wird sich also über die | ||||||
27 | Gegenden, worüber er zieht, entweder mit einer Abweichung von Abend | ||||||
28 | gegen Morgen bewegen, oder in der Richtung von Morgen gegen Abend | ||||||
29 | der Oberfläche der Erde widerstehen, welches in beiden Fällen einen Wind | ||||||
30 | macht, der diese Collateralrichtung hat. Die Stärke dieser Seitenbewegung | ||||||
31 | beruht sowohl auf der Schnelligkeit des Orts, worüber er bewegt | ||||||
32 | wird, als auch auf dem Unterschiede der Schnelligkeit der Örter, von und | ||||||
33 | zu welchen er übergeht. Nun ist aber die Schnelligkeit der Achsendrehung | ||||||
34 | eines jeden Punkts auf der Oberfläche der Erden dem Cosinus der Breite | ||||||
35 | und der Unterschied dieses Cosinus zweier sehr nahe, z. E. einen Grad | ||||||
36 | weit, von einander abstehenden Örter der Oberfläche dem Sinus der | ||||||
37 | Breite proportionirt; also wird das Moment der Geschwindigkeit, womit | ||||||
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