Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 433

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Diese Höhlen enthalten alle ein loderndes Feuer, oder wenigstens      
  02 denjenigen brennbaren Zeug, der nur einer geringen Reizung bedarf, um      
  03 mit Heftigkeit um sich zu wüthen und den Boden über sich zu erschüttern      
  04 oder gar zu spalten.      
           
  05 Wenn wir das Gebiet dieses unterirdischen Feuers in dem ganzen      
  06 Umfange, wohin es sich erstreckt, erwägen, so werden wir gestehen müssen,      
  07 daß wenig Länder auf dem Erdboden sind, die nicht bisweilen dessen      
  08 Wirkung verspürt hätten. In dem äußersten Norden ist die Insel Island      
  09 den heftigsten Anfällen desselben und zwar nicht selten unterworfen. Man      
  10 hat in England und selbst in Schweden einige leichte Erschütterungen gehabt.      
  11 Gleichwohl finden sie sich in den südlichen Ländern, ich meine denjenigen,      
  12 die dem Äquator näher liegen, häufiger und stärker. Italien, die      
  13 Inseln aller Meere, welche der Mittellinie nahe liegen, vornehmlich die      
  14 im indischen Ocean, sind von dieser Beunruhigung ihres Fußbodens häufig      
  15 angefochten. Unter den letztern ist fast nicht eine einzige, die nicht einen      
  16 Berg hätte, der entweder noch jetzt bisweilen Feuer spie, oder es wenigstens      
  17 vormals gethan hätte, und der Erschütterungen sind sie eben so häufig      
  18 unterworfen. Es ist eine artige Vorsicht, wenn man hierin der Nachricht      
  19 des Hübners Glauben darf, die die Holländer um deswillen anwenden, um      
  20 das kostbare Gewürz der Muscaten und Würznelken, die sie einzig und      
  21 allein auf den beiden Inseln Banda und Amboina fortzupflanzen erlauben,      
  22 nicht der Gefahr blos zu stellen von dem Erdboden vertilgt zu werden,      
  23 wenn eine dieser Inseln etwa das Schicksal eines völligen Unterganges      
  24 durch ein Erdbeben betreffen sollte, daß sie auf einer andern, weit davon      
  25 entlegenen jederzeit eine Pflanzschule beider Gewächse unterhalten. Peru      
  26 und Chili, welche der Linie nahe liegen, sind mit diesem Übel häufiger      
  27 wie irgend ein Land in der Welt beunruhigt. In dem ersten Lande geht      
  28 fast kein Tag vorbei, da nicht einige leichte Stöße von Erdbeben verspürt      
  29 werden. Man darf sich nicht einbilden, dieses sei als eine Folge der weit      
  30 größern Sonnenhitze, welche auf das Erdreich dieser Länder wirkt, anzusehen.      
  31 In einem Keller, der kaum 40 Fuß Tiefe hat, ist fast gar kein Unterschied      
  32 zwischen Sommer und Winter zu spüren. So wenig ist die Sonnenwärme      
  33 vermögend das Erdreich in großen Tiefen zu durchdringen, um      
  34 den entzündbaren Stoff zu locken und in Bewegung zu setzen. Vielmehr      
  35 richten sich die Erdbeben nach der Beschaffenheit der unterirdischen Grüfte      
  36 und diese nach demjenigen Gesetze, nach welchem die Einsinkungen der      
  37 obersten Erdrinde im Anfange müssen geschehen sein, und die, je näher      
           
     

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