Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 364 |
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01 | aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes haben, in | ||||||
02 | welchem sich alles nothwendig auf einander beziehen und zusammenschicken | ||||||
03 | muß? Wenn man sich recht besinnt, wie kann man die Art zu | ||||||
04 | urtheilen rechtfertigen, daß man die Natur als ein widerwärtiges | ||||||
05 | Subject ansieht, welches nur durch eine Art von Zwange, der ihrem | ||||||
06 | freien Betragen Schranken setzt, in dem Gleise der Ordnung und der | ||||||
07 | gemeinschaftlichen Harmonie kann erhalten werden, wofern man nicht | ||||||
08 | etwa dafür hält, daß sie ein sich selbst genugsames Principium sei, | ||||||
09 | dessen Eigenschaften keine Ursache erkennen, und welche Gott, so gut | ||||||
10 | als es sich thun läßt, in den Plan seiner Absichten zu zwingen trachtet? | ||||||
11 | Je näher man die Natur wird kennen lernen, desto mehr wird man | ||||||
12 | einsehen, daß die allgemeinen Beschaffenheiten der Dinge einander | ||||||
13 | nicht fremd und getrennt sind. Man wird hinlänglich überführt werden, | ||||||
14 | daß sie wesentliche Verwandtschaften haben, durch die sie sich von selber | ||||||
15 | anschicken, einander in Errichtung vollkommener Verfassungen zu unterstützen, | ||||||
16 | die Wechselwirkung der Elemente zur Schönheit der materialischen | ||||||
17 | und doch auch zugleich zu den Vortheilen der Geisterwelt, und | ||||||
18 | daß überhaupt die einzelnen Naturen der Dinge in dem Felde der | ||||||
19 | ewigen Wahrheiten schon untereinander, so zu sagen, ein System ausmachen, | ||||||
20 | in welchem eine auf die andere beziehend ist; man wird auch | ||||||
21 | alsbald inne werden, daß die Verwandtschaft ihnen von der Gemeinschaft | ||||||
22 | des Ursprungs eigen ist, aus dem sie insgesammt ihre wesentlichen | ||||||
23 | Bestimmungen geschöpft haben. | ||||||
24 | Und um daher diese wiederholte Betrachtung zu dem vorhabenden | ||||||
25 | Zwecke anzuwenden: Eben dieselbe allgemeine Bewegungsgesetze, die | ||||||
26 | den obersten Planeten einen entfernten Platz von dem Mittelpunkte der | ||||||
27 | Anziehung und der Trägheit in dem Weltsystem angewiesen haben, | ||||||
28 | haben sie dadurch zugleich in die vortheilhafteste Verfassung gesetzt, | ||||||
29 | ihre Bildungen am weitesten von dem Beziehungspunkte der groben | ||||||
30 | Materie und zwar mit größerer Freiheit anzustellen; sie haben sie | ||||||
31 | aber auch zugleich in ein regelmäßiges Verhältniß zu dem Einflusse | ||||||
32 | der Wärme versetzt, welche sich nach gleichem Gesetze aus eben dem | ||||||
33 | Mittelpunkte ausbreitet. Da nun eben diese Bestimmungen es sind, | ||||||
34 | welche die Bildung der Weltkörper in diesen entfernten Gegenden ungehinderter, | ||||||
35 | die Erzeugung der davon abhängenden Bewegungen schneller | ||||||
36 | und, kurz zu sagen, das System wohlanständiger gemacht haben, da | ||||||
37 | endlich die geistigen Wesen eine nothwendige Abhängigkeit von der | ||||||
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