Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 332

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 gemacht und eine unendliche Macht selbigen ausgeführt haben,      
  02 sonst wäre es unmöglich, so viele in einem Zweck zusammen kommende      
  03 Absichten in der Verfassung des Weltgebäudes anzutreffen. Es kommt      
  04 nur noch darauf an, zu entscheiden, ob der Entwurf der Einrichtung      
  05 des Universi von dem höchsten Verstande schon in die wesentliche Bestimmungen      
  06 der ewigen Naturen gelegt und in die allgemeine Bewegungsgesetze      
  07 gepflanzt sei, um sich aus ihnen auf eine der vollkommensten      
  08 Ordnung anständige Art ungezwungen zu entwickeln; oder ob die allgemeine      
  09 Eigenschaften der Bestandtheile der Welt die völlige Unfähigkeit      
  10 zur Übereinstimmung und nicht die geringste Beziehung zur Verbindung      
  11 haben und durchaus einer fremden Hand bedurft haben, um      
  12 diejenige Einschränkung und Zusammenfügung zu überkommen, welche      
  13 Vollkommenheit und Schönheit an sich blicken läßt. Ein fast allgemeines      
  14 Vorurtheil hat die meisten Weltweisen gegen die Fähigkeit der      
  15 Natur, etwas Ordentliches durch ihre allgemeine Gesetze hervorzubringen,      
  16 eingenommen, gleich als wenn es Gott die Regierung der Welt streitig      
  17 machen hieße, wenn man die ursprüngliche Bildungen in den Naturkräften      
  18 sucht, und als wenn diese ein von der Gottheit unabhängiges      
  19 Principium und ein ewiges blindes Schicksal wären.      
           
  20 Wenn man aber erwägt, daß die Natur und die ewigen Gesetze,      
  21 welche den Substanzen zu ihrer Wechselwirkung vorgeschrieben sind,      
  22 kein selbständiges und ohne Gott nothwendiges Principium sei, daß      
  23 eben dadurch, weil sie so viel Übereinstimmung und Ordnung in demjenigen      
  24 zeigt, was sie durch allgemeine Gesetze hervorbringt, zu ersehen      
  25 ist, daß die Wesen aller Dinge in einem gewissen Grundwesen ihren      
  26 gemeinschaftlichen Ursprung haben müssen, und daß sie darum lauter      
  27 gewechselte Beziehungen und lauter Harmonie zeigen, weil ihre Eigenschaften      
  28 in einem einzigen höchsten Verstande ihre Quelle haben, dessen      
  29 weise Idee sie in durchgängigen Beziehungen entworfen und ihnen diejenige      
  30 Fähigkeit eingepflanzt hat, dadurch sie lauter Schönheit, lauter      
  31 Ordnung in dem ihnen selbst gelassenen Zustande ihrer Wirksamkeit      
  32 hervorbringen, wenn man, sage ich, dieses erwägt, so wird die Natur      
  33 uns würdiger, als sie gemeiniglich angesehen wird, erscheinen, und      
  34 man wird von ihren Auswickelungen nichts, als Übereinstimmung,      
  35 nichts als Ordnung erwarten. Wenn man hingegen einem ungegründeten      
  36 Vorurtheile Platz läßt, daß die allgemeine Naturgesetze an und      
  37 für sich selber nichts als Unordnung zuwege bringen, und aller Übereinstimmung      
           
     

[ Seite 331 ] [ Seite 333 ] [ Inhaltsverzeichnis ]