Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 327

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Heftigkeit der Hitze zerstreuet, niemals wieder zurück kehren und den      
  02 Stoff des Zodiakallichts vermehren, die Häufung unverbrennlicher und      
  03 ausgebrannter Materien, z. E. der Asche auf der Oberfläche, endlich      
  04 auch der Mangel der Luft werden der Sonne ein Ziel setzen, da ihre      
  05 Flamme dereinst erlöschen und ihren Ort, der anjetzt der Mittelpunkt      
  06 des Lichtes und des Lebens dem ganzen Weltgebäude ist, ewige      
  07 Finsternisse einnehmen werden. Die abwechselnde Bestrebung ihres      
  08 Feuers, durch die Eröffnung neuer Grüfte wiederum aufzuleben, wodurch      
  09 sie sich vielleicht vor ihrem Untergange etlichemal herstellt, könnte      
  10 eine Erklärung des Verschwindens und der Wiedererscheinung einiger      
  11 Fixsterne abgeben. Es würden Sonnen sein, welche ihrem Erlöschen      
  12 nahe sind, und die noch etlichemal aus ihrem Schutte aufzuleben      
  13 trachten. Es mag diese Erklärung Beifall verdienen, oder nicht, so      
  14 wird man sich doch gewiß diese Betrachtung dazu dienen lassen, einzusehen,      
  15 daß, da der Vollkommenheit aller Weltordnungen, es sei auf      
  16 die eine oder andere Art, ein unvermeidlicher Verfall droht, man keine      
  17 Schwierigkeit in dem oben angeführten Gesetze ihres Unterganges durch      
  18 den Hang der mechanischen Einrichtung finden werde, welche dadurch      
  19 aber vornehmlich annehmungswürdig wird, weil sie den Samen der      
  20 Wiedererneurung selbst in der Vermengung mit dem Chaos bei sich führt.      
           
  21 Zuletzt lasset uns der Einbildungskraft ein so wunderseltsames Object,      
  22 als eine brennende Sonne ist, gleichsam von nahen vorstellen.      
  23 Man sieht in einem Anblicke weite Feuerseen, die ihre Flammen gen      
  24 Himmel erheben, rasende Stürme, deren Wuth die Heftigkeit der ersten      
  25 verdoppelt, welche, indem sie selbige über ihre Ufer aufschwellend      
  26 machen, bald die erhabene Gegenden dieses Weltkörpers bedecken, bald      
  27 sie in ihre Grenzen zurücksinken lassen; ausgebrannte Felsen, die aus      
  28 den flammenden Schlünden ihre fürchterliche Spitzen herausstrecken,      
  29 und deren Überschwemmung oder Entblößung von dem wallenden      
  30 Feuerelemente das abwechselnde Erscheinen und Verschwinden der      
  31 Sonnenflecken verursacht; dicke Dämpfe, die das Feuer ersticken, und      
  32 die, durch die Gewalt der Winde erhoben, finstre Wolken ausmachen,      
  33 welche in feurigen Regengüssen wiederum herabstürzen und als brennende      
  34 Ströme von den Höhen des festen Sonnenlandes*) sich in die flammende      
           
    *) Ich schreibe nicht ohne Ursache der Sonnen alle Unebenheiten des festen Landes, der Gebirge und der Thäler zu, die wir auf unserer Erde und andern Weltkörpern antreffen. Die Bildung einer Weltkugel, die sich aus einem flüssigen [Seitenumbruch] Zustande in einen festen verändert, bringt nothwendig solche Ungleichheiten auf der Oberfläche zuwege. Wenn die Oberfläche sich härtet, indessen daß in dem flüssigen inwendigen Theile solcher Masse die Materien sich noch nach Maßgebung ihrer Schwere zum Mittelpunkte hinsenken: so werden die Partikeln des elastischen Luft= oder Feuerelements, das sich in diesen Materien mit untergemengt befindet, herausgejagt und häufen sich unter der indessen festgewordenen Rinde, unter welcher sie große und nach Proportion des Sonnenklumpens ungeheure Höhlen erzeugen, in die gedachte oberste Rinde zuletzt mit mannigfaltigen Einbeugungen hereinsinkt und sowohl erhöhte Gegenden und Gebirge, als auch Thäler und Fluthbette weiter Feuerseen dadurch zubereitet.      
           
     

[ Seite 326 ] [ Seite 328 ] [ Inhaltsverzeichnis ]