Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 321 |
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01 | auf diese Weise in Verfall gerathen und durch wesentliche Kräfte | ||||||
02 | sich daraus wiederum hergestellt hat, wenn es wohl gar dieses Spiel | ||||||
03 | mehr wie einmal wiederholt: so wird endlich die Periode herannahen, | ||||||
04 | die auf gleiche Weise das große System, darin die Fixsterne Glieder | ||||||
05 | sind, durch den Verfall ihrer Bewegungen in einem Chaos versammlen | ||||||
06 | wird. Man wird hier noch weniger zweifeln, daß die Vereinigung | ||||||
07 | einer so unendlichen Menge Feuerschätze, als diese brennenden Sonnen | ||||||
08 | sind, zusammt dem Gefolge ihrer Planeten den Stoff ihrer Massen, | ||||||
09 | durch die unnennbare Gluth aufgelöset, in den alten Raum ihrer | ||||||
10 | Bildungssphäre zerstreuen und daselbst die Materialien zu neuen | ||||||
11 | Bildungen durch dieselbe mechanische Gesetze hergeben werden, woraus | ||||||
12 | wiederum der öde Raum mit Welten und Systemen kann belebt werden. | ||||||
13 | Wenn wir denn diesem Phönix der Natur, der sich nur darum verbrennt, | ||||||
14 | um aus seiner Asche wiederum verjüngt aufzuleben, durch alle | ||||||
15 | Unendlichkeit der Zeiten und Räume hindurch folgen; wenn man sieht, | ||||||
16 | wie sie sogar in der Gegend, da sie verfällt und veraltet, an neuen | ||||||
17 | Auftritten unerschöpft und auf der anderen Grenze der Schöpfung in | ||||||
18 | dem Raum der ungebildeten rohen Materie mit stetigen Schritten zur | ||||||
19 | Ausdehnung des Plans der göttlichen Offenbarung fortschreitet, um | ||||||
20 | die Ewigkeit sowohl, als alle Räume mit ihren Wundern zu füllen: | ||||||
21 | so versenkt sich der Geist, der alles dieses überdenkt, in ein tiefes Erstaunen; | ||||||
22 | aber annoch mit diesem so großen Gegenstande unzufrieden, | ||||||
23 | dessen Vergänglichkeit die Seele nicht gnugsam zufrieden stellen kann, | ||||||
24 | wünscht er dasjenige Wesen von nahem kennen zu lernen, dessen Verstand, | ||||||
25 | dessen Größe die Quelle desjenigen Lichtes ist, das sich über die | ||||||
26 | gesammte Natur gleichsam als aus einem Mittelpunkte ausbreitet. Mit | ||||||
27 | welcher Art der Ehrfurcht muß nicht die Seele sogar ihr eigen Wesen | ||||||
28 | ansehen, wenn sie betrachtet, daß sie noch alle diese Veränderungen | ||||||
29 | überleben soll, sie kann zu sich selber sagen, was der philosophische | ||||||
30 | Dichter von der Ewigkeit sagt: | ||||||
31 | Wenn dann ein zweites Nichts wird diese Welt begraben, | ||||||
32 | Wenn von dem Alles selbst nichts bleibet als die Stelle, | ||||||
33 | Wenn mancher Himmel noch, von andern Sternen helle, | ||||||
34 | Wird seinen Lauf vollendet haben: | ||||||
35 | Wirst du so jung als jetzt, von deinem Tod gleich weit, | ||||||
36 | Gleich ewig künftig sein, wie heut. | ||||||
37 | v. Haller. | ||||||
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